
Sicher: Es hat nicht nur Vorteile, wenn Du seit 22 Jahren im Interim-Business tätig bist!
So wirkt es auf Dich, als dass sich in eben diesen 22 Jahren in diesem Business nichts wirklich Neues ergeben hat. Wenn ich mal von UNITEDINTERIM absehe, die vor sieben Jahren mit einem provisionsfreien Modell kamen. Aber hier bin ich sicher befangen.
Aber sonst?
Noch mehr Provider – oft von Ehemaligen etablierter Provider ins Leben gerufen – mit den ewig gleichen „Claims“:
„Unsere Interim Manager und Managerinnen sind handverlesen!“,
„Wir kennen unsere Interim Manager persönlich!“ und
„Wir (!) wissen, welche Interim Manager unsere Kunden wirklich brauchen!“
Im Kern: Wir sind die Besten! Stets! Alle rund 180 in der DACH-Region! Na dann …
Gerade den letzten „Claim“, der impliziert, die Kunden könnten das gar nicht allein entscheiden (für Festanstellungen schon, nicht aber im Interim Management …), möchte ich in der Praxis mal erleben:
Entscheider: „Lieber Provider, wir favorisieren Interim Manager A!“
Provider: „Aber nie im Leben, lieber Kunde! Interim Managerin X ist viel besser für das, was Sie vorhaben. Glauben Sie mir: Wir kennen die genau!“
Entscheider: „Okay, lieber Provider, dann nehmen wir halt die!“
Sicher, in Deutschland ist inzwischen vieles möglich, was ich mir bislang nicht vorstellen konnte. Aber wenn sich ein Entscheider die Hoheit über seine eigene Entscheidung derart aus den Händen nehmen lässt – dann, liebe Leute, lasst alle Hoffnung fahren!
Das „Provider-Bashing“ ist wieder da!
Aus anderen Gründen populär, wenn auch ebenso wenig neu, ist derzeit das „Provider-Bashig“. Heute bei LinkedIn, in alten Tagen vielleicht bei Open BC vulgo Xing, sind auch hier die Inhalte noch immer die gleichen.
So wird z. B. unter der Überschrift
Feuer unterm Dach: Es brennt im Interim Management – und keiner löscht
der Untergang des Abendlandes postuliert – und auf „die Provider“ eingeschlagen, ohne selbstverständlich „die Plattformen“ zu vergessen. [Eine ketzerische Frage an dieser Stelle: Welche Dienstleister bleiben dann noch übrig? Zwei Handvoll Sozietäten – die es dann aber richten sollen?]
Die Sätze, die fallen, haben jedoch eine neue, eine bemerkenswerte Qualität:
Der Markt für Interim Manager hat sich in den letzten Jahren massiv verändert. Früher war es eine exklusive Domäne hochkarätiger Manager mit nachgewiesener Expertise, heute ist es eine Arena für jeden, der einen LinkedIn-Account hat und sich als „Spezialist“ ausgibt. Qualität weicht Quantität. Unternehmen bezahlen nicht mehr für echte Leistung, sondern für das billigste Angebot.
Interim-Provider und Plattformen haben den Markt auf Masse statt Klasse getrimmt. Sie schieben sich als unnötige Vermittler zwischen Unternehmen und Manager, treiben Provisionen in absurde Höhen und drücken gleichzeitig die Honorare der eigentlichen Leistungsträger. Die Rechnung zahlen die Unternehmen mit schlechten Ergebnissen und die Interim Manager mit ruinösen Stundensätzen.
Donnerwetter! Da hat sich aber einer ausgekotzt!
Ja, tatsächlich: Es gibt Provider, die verlangen eine Provision von 40 bis 50 Prozent. Ich habe zwar nie verstanden, weshalb das möglich ist und mich stets gefragt, wer bitte erbringt hier eigentlich den Mehrwert: Der Provider?
Aber hierzu gehört eben auch, dass bestimmte Unternehmen (nicht alle!) bereit sind, eine solche Provision gutgelaunt dem eigenen Cash-Outflow aufzusatteln – statt sich die gleichen Interim Manager, wenn auch etwas aufwendiger, selbst zu beschaffen. Wären sie dazu bereit, dann wären diese Provider schon längst vom Markt verschwunden. Oder hätten andere Dienstwagen…
Lasch – trotz erheblicher Sparzwänge
Haben sie aber nicht. Und keine Geschäftsführung, kein Vorstand, – obwohl aktuell massiven Sparzwängen ausgesetzt – fordert dieses „selbst Beschaffen“ ein: Von Mitarbeitern, deren Kerngeschäft das „Recruiting“ ist.
Kaum zu glauben, dennoch ist es so …
Ich teile zudem nicht diese Sicht, ja ich halte sie für ausgesprochen überheblich: „Qualität weicht Quantität. Unternehmen bezahlen nicht mehr für echte Leistung, sondern für das billigste Angebot.
Auch im Interim Management treffen wir auf den typischen Mix von „Normal-Leistung“ und „Spitzenleistung“. Wie sollte das auch anders sein, wenn so gut wie alle Interim Manager die gleiche DNA haben? Eine Vergangenheit in Unternehmen, eine Vergangenheit in einer Festanstellung.
Stattdessen erlebe ich, dass gute Qualität und gute Leistung möglichst günstig beschafft werden soll. Mal ehrlich: Wenn Sie nur den Hauch einer Ahnung davon haben, wie Unternehmen [derzeit] ticken, dann kann Sie das nicht verwundern: Die Unternehmen handeln auf allen Feldern so! Aber ausgerechnet im Interim Business, ausgerechnet dort sollten sie das nicht tun?
Unternehmen können die Provision sparen – wenn sie es denn wollten
Und ich bin fest davon überzeugt, dass die Unternehmen irgendwann darauf einschwenken werden, die im Interim Business typische Provision konsequent einzusparen. Warum? Weil das vergleichsweise leicht ist…
Das wird spürbare Auswirkungen auf eine Vielzahl von Interim Managern und Managerinnen haben, die typischerweise viel drauf haben – nur halt nicht im Vertrieb in eigener Sache.
Folglich erwarten viele Protagonisten, dass jemand anderer die Vertriebsarbeit für sie übernimmt – und das ist dann der Kern des Geschäftsmodells der Provider.
Mit einem kleinen Schönheitsfehler, den ich immer gegeißelt habe, jedoch mit meiner Sichtweise in all den Jahren nicht durchdringen konnte:
Wenn ein Dritter die Vertriebsarbeit für mich macht, dann erhält er die kalkulatorischen Vertriebskosten, die mein Tagessatz beinhaltet. Auf keinen Fall kann der Dritte die Kosten, die er für den Vertrieb aufwendet, auf meinen Tagessatz aufgeschlagen dem Kunden in Rechnung stellen. Und damit diese an sich tolle Dienstleistung für das Kundenunternehmen um 40 bis 50 Prozent teurer machen. Siehe oben…
Sehen Sie, wie schnell das „Providerbashing“ ein Ende hätte? Wenn der Interim Manager, die Interim Managerin, stets das Gleiche kosten würde – unabhängig vom Vertriebsweg?
Aber auch das sehe ich wahrscheinlich falsch…
Bild: „Stillstand – fünf vor zwölf“ erzeugt von ChatGPT und „woman-6253060_1280“ von www.pixabay.com