Freitag 14. Dezember 2012

ICH HÄTT´ GERN DEINE BEWERBUNG – ABER GLAUB JA NICHT, DASS ICH SIE WERTSCHÄTZE!

Quelle: www.piqs.de - © Fotograf: Fox – Titel: Dollar

Das Interim Management-Geschäft hat inzwischen die sozialen Medien erreicht – besonders XING (nationales Geschäft), aber auch LinkedIn (internationales Geschäft); Facebook jedoch nicht.

 

Inzwischen hat man sich offenbar daran gewöhnt, dass dort bei mindestens einem Drittel aller Ausschreibungen (durchaus von namhaften Vermittlern) nicht mehr angegeben wird, in welcher Branche der suchende Kunde tätig ist.

 

Mich wundert das schon. Denn, täten wir das gleiche, würden wir gleich von zwei Seiten verhauen: Von den Kunden („Erfahrung in unserer Branche ist ein KO-Kriterium für uns!“) – aber auch von den Interim Managern („Ich muss doch wissen, welche Expertise erforderlich ist!“).

 

Social Media ist halt weniger formell!

 

Weniger formell schon, aber offensichtlich auch weniger professionell.

 

Noch mehr beunruhigt mich aber ein neues Verhaltensmuster, das auf Seiten der Vermittler eindeutig zu erkennen ist. Ich vermeide den Begriff „Provider“, denn so jemanden hätten wir im AIMP sicher schon längst zur Seite genommen – falls wir ihn denn überhaupt aufgenommen hätten.

 

Mich beunruhigen die Sätze, mit denen Ausschreibungen (durchaus von namhaften Vermittlern) enden – und die dann so lauten:

 

„Über Anfragen mit CV bis Anfang nächster Woche freue ich mich unter brilliant.staff@supercompany.com, mit Verständnis kann nicht auf jede einzelne Anfrage persönlich eingegangen werden.“

 

Dies ist tatsächlich ein getreues Zitat vom Freitag (!) der vorletzten Woche bei XING – abgesehen von der E-Mailadresse, die ich gütig verschleiert habe.

 

Nein, es geht mir hier nicht so sehr um die fehlenden Wörter und den krubbeligen Satzbau. Obwohl auch daraus auf den Grad an Professionalität des Vermittlers geschlossen werden kann.

 

Vielmehr bin ich über den Inhalt fassungslos. Dass ein „Consultant – Interim Management“ so etwas über die Computer-Tastatur bringt – und dass sein Boss das vollkommen entspannt zulässt, ist mir schier unbegreiflich.

 

Auch außerhalb der zugegebenermaßen mitunter überkritischen Denkwelt des Ministers der Finsternis ist die Botschaft eindeutig:

 

Macht Euch mal die Mühe, mir Eure Bewerbungsunterlagen zu senden – und das bitte flott! –, denn ich möchte mit Euch gutes Geld verdienen. Damit das gelingen kann, muss ich mir leider die Arbeit aufhalsen, den ganzen Kram, den Ihr mir senden werdet, auch noch zu lesen.

 

Das wird mich an die Grenzen meiner persönlichen Belastbarkeit führen – und deshalb kann ich Euch nicht obendrein auch noch antworten, geschweige denn persönlich auf Euer Zeug eingehen.

 

Oder in einem Satz:

 

Ich hätt´ gern Deine Bewerbung – aber glaub ja nicht, dass ich sie wertschätze!

 

Kommentare

  • 01
    Kai Otte schrieb...

    Mal wieder ein echter Volltreffer aus der Beckerschen Feder – die verführerische Leichtigkeit der Informationssammlung aus der Fülle des Angebots lässt leider (nicht nur in „unserem“ Mikrokosmos Interim-Management) so manchen der Versuchung erliegen, nur die Rosinen der Rosinen der Rosinen zu picken und den Rest kommentarlos wegzuschmeissen. Gibt ja genug Auswahl, was scheren mich die anderen, die stehlen mir eh nur die Zeit. Ich gebe zu, als Dino, der sich auch im e-Mail-Schriftverkehr noch um zeitraubende, völlig unnötige Dinge wie Anrede, Schlussformel, Gross- und Kleinschreibung sowie Interpunktion schert, ist meine eigene Meinung hierzu sicherlich ebenso unmassgeblich wie unpopulär – aber mein Tipp wäre: Bereits hier nicht nur ein Zehntel, sondern mindestens den doppelten Aufwand in Kundenbindung (sic!) investieren; Nachhaltigkeit ist doch schliesslich die Währung der Zukunft 😉

  • 02
    Christof Gasser schrieb...

    Es ist auch für mich erstaunlich, mit welcher Non-Chalance viele Ausschreibungen gemacht werden. Mittlerweile bin ich sehr wählerisch geworden. Was mich wundert ist, dass viele der ausgeschriebenen Positionen plötzlich on hold sind, wenn man sich darum bemüht. Ich denke, dass schliesslich jeder für sich selbst entscheiden muss, worauf er sich einlassen will und kann. Erfahrene Interim Manager werden die Spreu vom Weizen zu trennen wissen.

  • 03
    Bodo F. Schmischke schrieb...

    Auch an dieser Stelle kann mann/frau wieder sehen, dass die „social media“ nur für soziale, kaum aber für berufliche Kontakte taugen. Sicher ist es gut, dort präsent zu sein, aber Projekte gibt es dort kaum. Entweder „on hold“, „vergeben“ oder zu Konditionen, für die ein Interim Manager nicht arbeiten kann und für die seriöse Provider nicht arbeiten würden.

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