Im Interim Management gibt es Anfragen, die lassen mich schließlich sprachlos zurück: Ein solches Interim-Geschäft wurde mir im Juli angeboten:
Ein Berater rief mich an. Sein erster Hinweis galt der „absoluten Vertraulichkeit“, der dieses Mandat unterworfen sei. Der Kunde des Beraters sei sehr darauf bedacht, dass ja nichts am Markt durchsickere. Immerhin suche man für ein Unternehmen der Hochtechnologie den Interim-CEO mit Ingenieurs-Studium für ein ganzes Jahr. Deshalb sei er, der Berater, auch zwischengeschaltet – und habe zudem auch nicht viele Informationen zu den Hintergründen. Auf dass ja nicht daraus abgeleitet werden könne, um welchen Kunden es sich handeln könnte.
Nochmals: Vertraulichkeit sei ein absolutes Muss!
In einer solchen Situation frage ich mich stets, welche Vorstellung manche Menschen vom professionellen Interim-Provider haben: Dass wir stante pede Flugblätter drucken mit großen Lettern „Suchen Interim-CEO für folgenden Kunden“? Und sie dann deutschlandweit aus Hubschraubern abwerfen, die die Presse gern einmal mit dem Interim Management assoziiert?
Ob ich denn diese Vertraulichkeit sicherstellen könne?
In einer solchen Situation verwende ich immer und ausnahmslos diesen einen Satz – arrogant wie ich bin: „Guter Mann, Sie sprechen mit dem Eigentümer von MANATNET!“
Während des Telefonates zierte sich der Berater an der einen oder anderen Stelle gewaltig, doch letztlich habe ich ein Anforderungsprofil erhalten, mit dem ich arbeiten konnte.
Die Datenbankabfrage bei MANATNET identifizierte rund ein Dutzend möglicher Kandidaten. Die Abstimmungsprozesse mit diesen Kandidaten reduzierten die Gruppe dann auf fünf Kandidaten: Alles richtig tolle Interim Manager!
Der Berater war von den (anonymen) Profilen begeistert. Der Kunde auch.
Dennoch nahmen interne Abstimmungsgespräche auf Seiten des Kunden noch etwa eine Woche in Anspruch.
Danach ersuchte mich der Berater im Auftrag seines Kunden, doch für jeden Kandidaten eine Zusammenfassung zu liefern, in der jeder Kandidat im Detail seine Erfahrungen im Bereich „A“ und im Bereich „B“ beschreiben sollte. Es täte ihm sehr leid, aber sein Kunde brauche das kurzfristig.
Meine regelmäßigen Leser werden erwarten, dass ich jetzt anmerke: Dieser Wunsch wurde selbstverständlich freitagnachmittags geäußert.
Nun, der Eigentümer und fünf Interim Manager von MANATNET investierten ihr Wochenende. Und pünktlich, Montagmorgen, lieferte ich – noch immer anonym: Irgendetwas mahnte zur Vorsicht!
Eine Stunde später meldete Outlook diese Mail im Posteingang:
„Sehr geehrter Herr Becker!
Vielen Dank für Ihre Mühe und Ihre Vorschläge.
Unser Mandant hat sich für einen anderen Weg entschieden. Auf seine Entscheidung hatten wir keinen Einfluss und hoffen, in Zukunft für ein anderes Projekt mit Ihnen zusammen kommen zu können.
Vielen Dank!
Mit besten Grüßen,
Name“
Selten war ich so verärgert!
Später habe ich erfahren, dass der Berater mindestens fünf weitere Provider angesprochen hatte – allein innerhalb des AIMP (wie war das noch mal mit der Vertraulichkeit?): Alle haben die gleiche Absage erhalten.
Bei MANATNET hat diese Anfrage Kosten („Pre-Sales-Expenses“) in Höhe von rund 2.500 Euro verursacht; hinzu kommen die Kosten der fünf Interim Manager. Bei den fünf anderen Providern sieht das sicher nicht viel anders aus. Insgesamt hat dieser Kunde somit gemeinsam mit seinem Berater um 12.500 Euro verbrannt. Nicht seins, sondern unsers!
Diese unsägliche Geschichte zeigt mir wieder einmal überdeutlich:
Ohne Retainer geht´s nicht mehr im Interim Management!
Hochgradig ärgerlich! Tja, ein Retainer…irgendwas in mir schreit „BLOSS NICHT!“ – ein Reflex, ich gebe es zu. Ich ziehe die Möglichkeit in Betracht, dass er zum einen genau dazu dienen kann, wozu er dienen soll: Die Scheinkunden abhalten. Würden „echte“ Kunden zahlen? Die Zehn-Millionen-Dollrar-Frage…und wieder mal sehe ich Jürgen B. aus O. (Name dem Verfasser bekannt) sich mit ausgestrecktem Zeigefinger dem grossen roten Knopf nähern, auf dem fett „NICHT DRÜCKEN!!!!“ steht 😉 Wer sich nicht traut, wirds nie erfahren.
Danke für Deinen Kommentar, Kai,
würden die Kunden zahlen? Ich mache mir da nichts vor: die meisten Kunden werden sagen, „Becker, Du bist ja nicht ganz gescheit!“ Natürlich, denn es ist ja so bequem, flächendeckend Mails oder Anrufe einzukippen – und dann andere mit bergeweise Arbeit loszuschicken: Lasset sie rennen, denn so ist er halt, der Wettberwerb!
Die Frage ist für mich weniger, ob die Kunden das zahlen, sondern, ob ich diese Zeit- und Ressourcen-fressenden „Wir-schaun-mal-was-dabei-rauskommt“-Aktionen weiterhin akzeptieren werde. Und diese Frage habe ich für mich beantwortet: „Nein!“
Der Retainer ist ja nur eine „Firewall“ gegen unprofessionelles Verhalten. There are a few more Options….
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Gute Idee mit dem Retainer. Ich hab dieses Jahr schon viel Geld und Zeit verfahren für … nix. Ich probiere das beim nächsten mal gerne aus.