Nach meinem Blogeintrag am letzten Freitag „5 goldene Interim Management-Regeln für Unternehmen“, einer Art persönlichen Marathon-Laufs über die Tastatur, konnte ich mir kaum vorstellen, dass ich an diesem Freitag in der Lage sein würde, irgendeinen lesenswerten Artikel zu schreiben.
Immer dann, wenn ich mich in solchen, Golum-nahen Phasen der Verzweiflung befinde, kommt meine Glücksfee daher und beschenkt mich:
Der Anruf kam am Mittwoch, um 9.50 Uhr. Aus Berlin. Nicht aus London.
Aufhänger ist, wie stets, das Projektvolumen von Interim Management bei DAX-Konzernen. Nunmehr, natürlich, für das Jahr 2015, das mit ausgesuchten Interim-Providern festgezurrt werden soll. Die unterschwellige Botschaft: MANATNET, Du bist auserwählt! Frohlocke – und öffne die Kasse. Ich weiß: 25.000 Euro stehen am Ende dieses Telefonates.
Solche Anrufe kommen so sicher, wie Ostern, Pfingsten und Weihnachten. Bereits im Oktober 2011 bin ich darauf eingegangen – noch im alten Blog. Nichts ändert sich. Von den Orten und den Jahreszahlen abgesehen. Dachte ich!
Immer geht es im Kern um folgendes:
Die Entscheider der besten europäischen oder eben halt DAX-Unternehmen werden mit zum Thementag passenden, ausgewählten Anbietern wie MANATNET an spektakulären Orten zusammengebracht – diesmal: Heiligendamm. Der Ausrichter garantiert 10 bis 12 Einzel-Gespräche mit eben diesen Entscheidern der besten europäischen Unternehmen. Damit die Entscheider alle kommen (Wer wollte nicht längst mal wieder nach Heiligendamm?), ist das Ganze für die Entscheider kostenlos.
Und folglich für die MANATNETs dieser Welt nicht – aber das dürfen die Telefonverkäufer auf keinen Fall zu Beginn des Telefonates preisgeben.
Ich entschied: Am Mittwoch war es Zeit für ein etwas anderes Telefonat!
Ich: „Wissen Sie, wenn die DAX-Vorstände alle nach Heiligendamm kommen wollen, um mit mir zu reden, dann komme ich gern!“ [Mit sofortiger, uneingeschränkter Zustimmung und dem erzwungenen Rollentausch, denn Sie übernehmen sofort die Gesprächsführung, überrumpeln Sie Ihr Gegenüber!]
Berlin: „…Ähh, das ist ja super! Ähh, ganz toll!“
Ich: „Gut. Wann soll ich wo sein?“
Berlin: „Wir garantieren Ihnen 10 bis 12 Gespräche mit den Entscheidern, die sich nur um das Thema Interim Management drehen….“
Ich: „… Klar, anderenfalls brauchten wir uns nicht zu treffen!“
Berlin: „Ähh, richtig. Diese 10 – 12 Gespräche werden alle in separaten Räumen…[Mein Gegenüber spricht erstaunlich schnell, aber ich kann auch schnell zuhören. Mein Blick geht zur Uhr…] … Tolles Ambiente…. Erfahrungsgemäß ….. Projektvolumina von garantiert mindestens 1 Mio. Euro…. Bevorzugte Lieferantenbeziehungen aufbauen…..“
[Nach 80 Sekunden] Ich: „Tut mir leid, wenn ich das so offen sage. Aber Sie texten mich gerade zu – unnötigerweise!“
Berlin: „….?“
Ich: „Wir sind doch schon durch: Ich habe ihnen doch gesagt, dass ich gerne komme. Wenn die DAX-Vorstände nach Heilgendamm kommen und sich die Zeit nehmen, um mit mir zu sprechen, dann komme ich doch selbstverständlich auch gerne. Ist doch gar keine Frage! Also: Wann soll ich wo sein?“
Berlin: „Aber das sind so viele Gespräche, da müssen Sie schon zu zweit kommen….!“
Ich: „Auch kein Problem! Dann bringe ich Kai Otte mit!“
Berlin: „… Und achtundreißigtausend Euro!“
Ich – tatsächlich, ich stehe dazu – ich habe schallend gelacht: „Wollen Sie mich auf den Arm nehmen? Sind wir hier bei irgendeiner Jux-Sendung im Radio? Der kleine Nils oder sonst etwas in der Art?“
Berlin: „Nö. Wieso?“
Ich: „Auf den Punkt gebracht: Wenn DAX-Vorstände mich als Eigentümer meines Unternehmens in Heiligendamm treffen möchten, dann folge ich diesem Wunsch gern. Die Vorstände und ich als Eigentümer, wir investieren beide unsere Zeit und tragen beide unsere Reisekosten selbst. Und möglicherweise spendieren wir uns gegenseitig ein Drink – abends an der Bar. So agieren Profis. Alles andere ist absurd.“
Berlin: „Aber andere Anbieter machen das!“
Ich: „Das ist gut für Sie, wenn andere das machen, denn ich mache das ganz sicher nicht. Ich möchte unser Gespräch jetzt gern beenden, wenn Sie einverstanden sind.“
Berlin: „Auf Wiedersehen. Ich wünsche Ihnen weiterhin viel Erfolg mit Ihrem Geschäftsansatz….!
Beste Transaktionsanalyse: „Du bist böse!“ So soll ich mich auch noch schlecht fühlen. Tu ich aber nicht.
Viel mehr beschäftigt mich, dass im Oktober 2011 noch 25.000 Euro aufgerufen wurden – und heute, gerade einmal drei Jahre später: 38.000 Euro!
Und irgendwer in der Providerlandschaft scheint das ja zu machen. Anderenfalls wären diese Anrufe längst Geschichte. Meine Güte:
Vertriebskosten im Interim Management explodieren!