Im ersten Teil meiner kleinen Serie „Vertrieb für Interim Manager“ habe ich empfohlen, dass Interim Manager den aktiven Part im Gespräch mit dem Kunden übernehmen. Der guten Ordnung halber: „Aktiv“ heißt keinesfalls „dominierend“ oder gar „erdrückend“. Darauf aufbauend habe ich im zweiten Teil gezeigt, welch mächtiges Werkzeug die Frage ist! Erlaubt sie es Ihnen doch, aktiv zu sein ohne dabei zu erdrücken – und gleichzeitig alles über Ihren Kunden zu lernen.
Heute geht es um die unterschiedlichen Situationen, in denen sich Ihr Kunde und Sie befinden – und darum, was das für Sie im Vertrieb bedeutet.
Wie: unterschiedliche Situationen?
Natürlich: Ihr Kunde und Sie sind beide zusammengekommen, um über ein Projekt, ein Mandat oder eine Aufgabe zu sprechen. Im Detail. Um letztlich herauszufinden, ob das passen kann – oder eben nicht. Das ist es dann aber auch schon!
Kunde und Interim Manager in unterschiedlichen Filmen
Vereinfachen Sie mal drastisch: Sie treffen für eine, maximal zwei Stunden zusammen. Mit einiger Wahrscheinlichkeit ist für Sie dieses Treffen das wichtigste, was Sie tun an diesem Tag: Denn Sie sind Profi! Selbst im Auto oder Zug haben Sie sich mit dem bevorstehenden Treffen beschäftigt. Und auf dem Rückweg werden Sie dieses Gespräch reflektieren.
Auf Seiten Ihres Kunden sieht das jedoch ganz anders aus! Mit einiger Wahrscheinlichkeit musste Ihr Gegenüber bis unmittelbar vor Ihrem Treffen eine andere Aufgabe erledigen, ein anderes Thema bearbeiten oder noch schnell ein Telefonat erledigen – mit einem Kollegen, der so froh ist, dass er ihn gerade noch vor Ihrem Treffen erwischt hat….
Und was bedeutet das?
Zunächst: Für Ihren Kunden ist Ihr Gespräch eine von vielen wichtigen Aufgaben an diesem Tag. Für Sie jedoch ist Ihr Treffen eine der ganz wichtigen Aufgaben an diesem Tag, wenn nicht gar die wichtigste.
Ja und?
Das ermöglicht es Ihnen, gleich mehrfach zu punkten:
Erstens, Sie können Ihrem Kunden zeigen, dass dieses Treffen für Sie einen hohen Stellenwert hat. Und damit zeigen Sie gleichzeitig, dass Ihr Gegenüber für Sie einen hohen Stellenwert hat! Können Sie sich vorstellen, dass das irgendjemand auf der anderen Seite nicht gut finden wird?
Zweitens, Sie können Verständnis für die zahlreichen Zwänge im Unternehmen zeigen, denen Ihr Gegenüber permanent ausgesetzt ist. Und ihm gleichzeitig erläutern, dass Sie als Interim Manager solche Zwänge weitgehend ignorieren können und werden. Und dadurch sehr viel mehr Zeit zur Verfügung haben, um sich um diese Aufgabe zu kümmern – und nur um diese Aufgabe. Keine Politik, keine unnützen Meetings, keine Mails, keine Nebenschauplätze. Ihre Kapazität eines ganzen langen Tages gehört ausschließlich dem Projekt des Kunden. Und dass Sie deshalb viel schaffen werden – und zwar zügig…
Glauben Sie mir: Auf dem Gesicht des einen oder anderen Gesprächspartners werden Sie lesen können „Ich werd´ auch Interim Manager….!“
An dieser Stelle haben Sie die tolle Möglichkeit, die besonderen Vorteile, die Sie als Interim Manager für das Unternehmen mitbringen, Ihrem Gesprächspartner vor Augen zu führen. Und zwar zusätzlich zu Ihren fachlichen Qualitäten. [Schauen Sie noch einmal nach in meinem Eintrag „VERTRIEB FÜR INTERIM MANAGER (2): WER FRAGT, LERNT“: Fachlich sind Sie schon beinahe durch!] Denken Sie dabei an folgendes:
(1) Auch heute noch kennen sich viele Unternehmen nicht aus mit Interim Management und Interim Managern. Geben Sie ihnen deshalb Sicherheit! Niemand geht los, wenn er unsicher ist!
(2) Auch heute noch prägt das Denken fast aller Mitarbeiter in fast alle Unternehmen die Welt der fest angestellten, abhängig beschäftigten Mitarbeiter. Auf derart geprägte Menschen wirken Sie fremd und exotisch [„Wie, Sie haben Leerlauf und Ihr Gehalt ist nicht sicher!?“]. Bauen Sie unbedingt diese Barriere ab! Aber Achtung: Sie werden Barrieren aus-, und nicht abbauen, wenn Sie womöglich signalisieren: „Stimmt! Aber so´n Job wie Du möchte ich ums Verrecken nicht!“ Jeder nach seiner Facon!
Wie baue ich als Interim Manager Barrieren ab?
Aber wie nun soll ich das machen?
Zunächst, indem Sie sich vor Augen halten: Es gibt [nicht nur hier!] typischerweise kein „richtig“ oder „falsch“, sondern stattdessen ein „anders“. Daher treten Sie nicht auf, als wären Sie „richtig“, ein toller Hecht, und alle anderen eben nicht. Sie sind anders. Nicht mehr, aber eben auch nicht weniger. Und genau darin liegt Ihr Vorteil, den Sie dem Unternehmen bieten:
(1) Sie wollen keine Karriere in einem Unternehmen mehr machen – denn die haben Sie schon gemacht. Oder Sie pfeifen darauf! Wenn Sie das so ausdrücken, werden Sie auch heute noch in überraschte Gesichter schauend, denn die Entscheider Ihnen gegenüber werden typischerweise genau das Gegenteil wollen [die Generation Y wird Ihnen in aller Regel noch nicht gegenüber sitzen!].
(2) Sie interessieren Urlaub, Weiterbildung, Altersversorgung, Firmenhandy und Dienstwagen nicht – denn dafür sorgen Sie selbst. Und wieder werden Sie einen gewissen Grad der Überraschung gegenüber erkennen.
(3) Sie werden Ihre Zeit nur dem Projekt widmen und den hierfür vereinbarten Aufgaben – und sonst nichts! „Aber das machen wir auch!“, wird Ihnen möglicherweise entgegnet. „Ich meine: nichts sonst!“, werden Sie vermutlich reagieren. „Meine 100 Prozent gehören Ihrem Projekt: Ausschließlich!“ Und Ihr Gegenüber wird im Hirn einen schnelle Vergleich aufmachen, den er krachend mit 30 bis 40 Prozentpunkten zu seinen Ungunsten verlieren wird….
All das hat mit Ihrem Studium als Ingenieur oder Wirtschaftswissenschaftler nichts zu tun. Es hat nichts damit zu tun, ob Sie bei BMW waren oder im ganz kleinen Mittelstand. Es hat nichts damit zu tun, ob Sie Controller sind, Personaler oder Logistiker.
Es hat damit zu tun, ob Ihr Gegenüber erkennt, dass Ihr „Anders-sein“ ihn niemals gefährden – ihn dafür aber so gut wie immer stärken wird.
Daher lautet meine Regel Nr. 3 im Vertrieb für Interim Manager:
Kultiviere Dein Anders-sein!