Ich sitze vor meinem Interim Management Blog. Die Seite starrt mich an: Leer. Leer bin ich auch, müde und für heute auch ausgesaugt von Menschen, die Antworten von mir haben möchten. In einem beängstigenden Stakkato.
So vieles möchte ich hier schreiben, so vieles möchte ich berichten. Aber ich mach es nicht. Noch nicht. Bis gegen Jahresende wohl nicht. Das bin ich nicht zuletzt meinem Partner in dieser Sache schuldig!
Stattdessen suche ich Themen im Standard-Interim Geschäft. Aber wie findest Du dort Themen, wenn derzeit an anderer Stelle die Post abgeht?
Ich denke an andere Industrien, in denen momentan auch – oder mal wieder – die Post abgeht: Die Bankenindustrie. Der Markt – wer immer das ist – spricht davon, dass die Deutsche Bank ohne staatliche Hilfen auskommen möchte. Und die Bundeskanzlerin – auch dort geht die Post ab! – ergänzt, dass die Deutsche Bank natürlich ohne staatliche Hilfe auskommen muss.
Allein diese beiden Sätze sind fatal und werden Abs und Herrhausen im Bankerhimmel die Zornesröte ins Gesicht treiben. „Du lieber Himmel, zu unseren Zeiten hätten die Deutsche Bank der Bundesrepublik Deutschland geholfen – und nicht umgekehrt!“
Für ein wenig Bilanz-Kosmetik – in der Welt von Abs und Herrhausen hieß das schmuck „Window Dressing“ – wird schnell eine Versicherung aus dem Portfolio verkauft. Unter Buchwert, aber was soll’s: Die Zeiten sind hart – und: Ist ja nicht unser Geld! Käufer ist Phoenix – und Phoenix wiederum ist auf die Abwicklung von Lebensversicherungen spezialisiert. Falls Sie darüber hinweg gelesen haben: „Abwicklung“.
Ganze Städtchen entlassen
Deutschlands zweitgrößte Bank setzt dort an, wo immer gern angesetzt wird – trotz aller durch Hochglanzbroschüren im UV-Lack unterstützen Sonntagsreden („Unsere Mitarbeiter sind das Wichtigste, was wir haben!“) und setzt 9.600 Mitarbeiter frei. Zum Vergleich: Hier in der Ortenau gibt es zahllose schmucke Städtchen, die haben weniger Einwohner…
Auch wenn mich als Ex-Banker der Untergang der Bankenwelt noch immer trifft: So richtig überrascht mich das nicht, wenn ich in den Filialen erlebe, dass der Mitarbeiter für einen Kreditantrag im Standard-Massengeschäft unzählige Fragen stellt und die Antworten des „Kunden“ in eine Tastatur hackt – nur um am Ende ein Rot oder Grün vom Scoring-System zu erhalten. „Tut mir leid, aber unser System hat Ihren Antrag abgelehnt – und bis Ende kommenden Monats bleibt das auch so! Ich wünsche Ihnen weiterhin einen schönen Tag…!“
Kein Platz für Jobs ohne echten Mehrwert
Bei aller Liebe: Das „Einhacken“ seiner Antworten schafft der Kunde auch selbst am Terminal oder Rechner – und kann dann zumindest herzhaft vor den Edelstahl treten oder aber seinem Unmut ob der negativen Antwort freien Lauf lassen: je nachdem, wo er gerade ist.
Folglich schreibt die FAZ am Donnerstag: „Im Rahmen der Strategie „Commerzbank 4.0“ wolle sich die zweitgrößte deutsche Bank auf das Kerngeschäfte konzentrieren, 80 Prozent ihrer „relevanten Prozesse“ digitalisieren und dadurch entsprechende bedeutende Einsparungen erzielen.“
80 Prozent der relevanten Prozesse! Wir bemühen Pareto und folgern daraus – nur ein wenig vereinfachend: Alles Wichtige wird digitalisiert!
Welch ein Umbruch in einer alten, traditionsreichen Welt eines Geschäftes unter Menschen, neu-Deutsch: „People Business“! Verschämt erinnere ich daran: Der Begriff „Kredit“ hat seinen Ursprung im lateinischen Wort „creare“ (glauben) – weil der Banker (Achtung: Gläubiger!) geglaubt hat, dass der Kunde das Geld zurückzahlen wird. Man stelle sich vor…!
Auf der einen Seite bin ich daher recht froh, im Interim Management zu arbeiten. Das ist ein junges, aufstrebendes Segment im Bereich der Personaldienstleistungen – das ja auch regelmäßig als „People Business“ bezeichnet wird.
Auf der anderen Seite, und meine Kollegen mögen mir das verzeihen, ist unser Interim Management – gemessen an den Zeiten der Medici und Fugger – noch ganz in seinen Anfängen. Wir haben also noch sehr viel Raum für Entwicklungen im Interim Management, nur werden die wohl um den Faktor 10 schneller verlaufen, als im Bankgeschäft seit den Medici oder Fugger. Allerdings: An ein „Interim Management 4.0“ denkt in der Interim-Welt offenbar noch niemand…
Jedoch: Glaubt das tatsächlich irgendjemand:
4.0 überall: Nur nicht im Interim Management?