Brückentag. Der Mai ist voll davon. Zumindest kommt es mir so vor. Halb Deutschland ist unterwegs – oder zumindest doch nicht im Büro.
Auf meine Lieblingsinsel kommst Du nur, wenn Du bereit bist, zwischen vier und sieben (in Zahlen: 7) Stunden zu warten – allein, um auf den Autozug zu kommen.
Zurück ist es nur wenig besser. Das Rote Kreuz versorgt die Wartenden mit Wasser – unterstützt vom – Achtung! – Harley Davidson Sylt-Chapter. So schaut´s aus…!
Meine treuen Leser wissen, dass ich rechtezeitig vor Pfingsten zurückgekehrt bin. Das unfassbar schöne Wetter habe ich zurückgelassen…
Wie stets, habe ich den Feiertag auch in dieser Woche verraten – und gearbeitet: Zu viel liegt an, was erledigt werden muss. Dazu gegen Ende Juni mehr.
Ich hab Angst vor dem Urlaub!
Bei Xing poppt heute ein Artikel hoch: „Selbstständigkeit – Ich habe Angst vor dem Urlaub!“ Hier ist der Link für meine Leser, die bei XING registriert sind.
Ich kann die beschriebenen Gedankengänge gut nachvollziehen. Dennoch denke ich, es ist inzwischen müßig, darüber zu diskutieren, ob man sich im Urlaub komplett vom Job abnabeln kann – oder eben nicht.
Einige wenige schaffen das – so wie Judith Geiß, der hierfür mein uneingeschränkter Respekt gilt! [Wie ich es schaffte, zwei Wochen offline zu bleiben].
Ich kann das nicht. Im Übrigen seit Mitte der Neunziger Jahre nicht. Als am Abend der Rückkehr aus dem zweiwöchigen Urlaub die Assistentin regelmäßig und zuverlässig zwei volle Unterschriftsmappen aufgestauter Arbeit zu mir nach Hause brachte. Das war bereits damals der blanke Horror für mich – und daran hat sich bis heute nichts geändert, auch wenn wir von der analogen in die digitale Welt gewechselt haben.
Deshalb gehöre ich zu den im XING-Artikel angesprochenen Menschen, die regelmäßig morgens zwei Stunden (nicht eine, wie im Artikel angesprochen) arbeiten – und danach aber auch nicht mehr.
Das habe ich vor vielen Jahren mit der besten aller Ehefrauen vereinbart – und es funktioniert gut.
Sehr gut sogar, denn in dieser Zeitspanne lassen sich sogar Interim-Mandate besetzen. Aber für weniger Wichtiges ist keine Zeit da. Es wird daher nicht gemacht! Es erstaunt mich immer wieder, dass nichts und niemand dadurch Schaden nimmt.
Urlaub sticht Interim-Mandat
Eins kann ich jedoch nicht nachvollziehen: Wenn Interim Manager Mandate ablehnen, weil sie einen Urlaub antreten möchten:
Der Kunde aus der ersten Liga bietet ein hochattraktives Projekt für einen Logistik-Spezialisten. Aufgrund der Bedeutung der Aufgabe für den Kunden zahlt der Kunde bei Vollauslastung einen Tagessatz, bei dem einem das Wasser im Mund zusammenläuft: Dem Interim Manager – und dem Provider auch.
Ich finde einige wenige Kandidaten. Und spreche sie an auf dieses Mandat.
Ein Interim Manager hat soeben sein bisheriges Projekt abgeschlossen: Jedoch möchte dieser Interim Manager nach einem möglichen Projektstart erst mal in Urlaub gehen und danach dann auch nur vier Tage in der Woche für den Kunden tätig sein.
Ups! Es sei die Frage gestattet, wer hier für wen da sein sollte! Wer ist hier eigentlich der Dienstleister?
Mit einer solchen Einstellung darf sich der Interim Manager nicht wundern, wenn er bereits im Vorfeld verloren hat und nicht einmal den Sprung auf die „Short List“ schafft. So bringt man sich um Projekte, denn es gibt genug Logistiker (mit mindestens 7 Jahren Logistik-Erfahrung) am Markt. Unglaublich!
Hier zuckt durch den Brückentag:
Angestellten-Denken in Reinkultur!
Hallo Herr Becker,
Da freue ich mich, dass ich nicht allein im Freizeit/Arbeits-Mix in der „Urlaubszeit“ bin.
Und beste Grüße an den Kollegen, der m.E. den Hintergrund einer freiberuflichen DIENSTLEISTER-Tätigkeit verstanden hat.
Schade, dass Sie bei mir nicht angefragt haben :-)…
Gruß aus dem Brückentag
Henrik Schneider
Ihr Profil war auf der Longlist, Herr Schneider, passte aber nicht genau genug.
Gruß in den Brückentag
Jürgen Becker
Hallo Herr Becker: Vielen Dank für den anregenden Artikel.
der Xing-Beitrag der Werbetexterin zeigt das Dilemma sehr schön auf. Sie beide können die 1-2 Stunden-Lösungen realisieren. Der Interimer ist i.d.R. nicht konzeptionell oder vermittelnd tätig, sondern mitten drin im Geschehen vor Ort. Das heißt dann meist auch etwas weiter weg vom eigenen Arbeitszimmer, mit langen Pendelstrecken, langweiligen Hotels oder Ferienwohnungen, und eben Volldampf.
Im Mandat ist man Dienstleister und 100%ig in der Pflicht zu liefern. Da sollte man sich gut überlegen, was man wann antritt. Aber wem sage ich das?
Solche Überlegungen haben für mich etwas unternehmerisches: Ich bin ja mein eigenes Produkt, das muss ich hegen, pflegen, weiterentwickeln, richtig positionieren usw.
Dazu gehört auch einmal “nein“ zu sagen, wenn man den Urlaub braucht, oder andere eigene Planungen hat.
Bei ihrem Interimer könnte ich mir so etwas vorstellen: gerade das dritte Mandat ohne Pause auf 120% Level durchgezogen, ohne oder nur mit kurzem Urlaub, weil das im Mandat nun wirklich ganz schlecht ist, und jetzt mit dem Gefühl, unbedingt mal eine Pause zu brauchen, und dann auch nur „ein einfaches Mandat“ mit 3-4 tagen in der Nähe zu machen …. um das „Produkt“ wieder aufzufrischen und fit zu machen.
Und dann kommen Sie mit ihrem tollen Projekt! Klar kommt man kurz in‘s Grübeln und Wanken. Wenn mein Bild einigermaßen passt, sollte er konsequent „nein“ sagen und nicht „vielleicht“ ode „es kommt darauf an“. Das kann man kritisieren, aber von Angestelltenmentalität ist für mich nicht ansatzweise etwas zu erkennen. Er ist ja auch nicht „Angestellter“ des Providers, der ihn gerne einsetzen würde. Er entscheidet sich unternehmerisch in eigener Sache, um sich die Luft für den nächsten Einsatz zu verschaffen, sich weiter zu bilden, oder wie auch immer in sich zu investieren.
ich kenne natürlich ihren Fall nicht, fand es aber sehr heftig und vorschnell dem Kollegen „Angestelltenmentalität“ um die Ohren zu hauen.
Ich würde erwarten, dass man in so einer Situation gemeinsam berät, was zu tun und zu kommunizieren ist. In jedem fall ist die Entscheidung zu respektieren. Nur er selbst hat sein „full picture“, und muss die Konsequenzen seiner Entscheidung unternehmerisch tragen. Das ist das Interimer-Leben.
Viele Grüße, Werner Loose
Hallo Herr Becker und Interim-Kollegen,
als Interim Manager ist es schwer, eine Balance zu finden. Ich habe Urlaub immer in den Hintergrund gestellt. Zugegeben, im Familieninteresse (=back office) ist das auch nicht immer optimal.
Aber was ist mit der anderen Seite? Anfang des Jahres bekomme ich eine dringende Anfrage. Innerhalb weniger Tage Abstimmung durchgezogen, einen Termin „dazwischen gequetscht“, 1100km gefahren. In der Diskussion wird klar: wirklich jeder Tag zählt!. Nach fast 6 Wochen war immer noch keine Entscheidung (Urlaub, krank) gefallen, das Vorhaben ist jetzt vermutlich etwas für Anwälte..
Ich würde den Kommentar nicht schreiben, wenn ich in den letzten Tage nicht ein ähnliches Erlebnis gehabt hätte: Wichtiges Vorhaben, Entscheider in Urlaub, Präsentation beim Personalvorstand, dann verlängert der Entscheider seinen Urlaub, dann ist der Personalvorstand für mehrere Wochen weg….
Ich gewinne immer mehr den Eindruck, dass viel mehr in D im Argen liegt. Wie gehen wir miteinander um? Was zählen Zusagen? Wie zuverlässig sind wir im Geschäftsleben?
Und trotzdem bleibe ich bei meinen Prinzipien! Auf mich kann sich mein gegenüber verlassen — auch wenn ich ‚mal „nein“ sage.
Viele Grüße
Martin Schütz
PS: Nach mehreren stornierten Anläufen in den letzten Jahren fahre ich dieses Jahr mit meiner Frau in Urlaub – alles schon bezahlt!