Zum Ende 2018 bin ich aus dem AIMP ausgestiegen, dessen Gründungsmitglied ich gewesen bin. Unter der Überschrift „Alles hat seine Zeit: Der Dank aber bleibt“ hatte ich diesem Abschied einen eigenen Blogbeitrag gewidmet.
Mir ist das wahnsinnig schwergefallen!
Aber es war schon seit eben diesem Jahr 2018 vollkommen klar, dass meine Arbeit für UNITEDINTERIM ganz anders sein würde als meine fünfzehn Jahre dauernde Arbeit für MANATNET. Und damit hätte ich keine Mehrwerte mehr für den AIMP bringen können – und als Provider-Organisation der AIMP für mich auch nicht.
Heute, wir sind knapp zwei Jahre weiter, muss ich zugeben: Das gesamte Ausmaß dieses „Anders- Seins“ habe ich mir seinerzeit nicht im Traum vorstellen können.
Wenn Sie dieses „Anders-Sein“ nicht weiter interessiert – was ich sofort verstehen werde – dann sollten Sie an dieser Stelle aufhören zu lesen. Und sich etwas Erfreulicherem zuwenden.
Für alle anderen habe ich ein paar nette Anekdoten parat:
Ich habe noch nie so viel Prügel bezogen
Unmittelbar nachdem UNITEDINTERIM an den Markt gegangen war, kam der erste Anschiss eines Providerkollegen, dem wir übrigens von der Idee an angeboten hatten, als Gesellschafter dabei zu sein und das Ganze mitzugestalten. Er nahm daran Anstoß, dass wir direkt auf der Homepage gesagt hatten, die Providerprovision eines typischen Projektes betrüge rund 5.000 Euro im Monat. Jeder, der auch nur einigermaßen professionell in der Interim-Szene unterwegs ist, wird allenfalls kritisieren, dass die Summe wohl doch zu gering sei.
Die nächste Prügel kam, als wir nach der Testphase für die Nutzung der kompletten Infrastruktur tatsächlich Geld verlangten. Und dann noch sage und schreibe 45 Euro im Monat – ein Betrag, der sich seinerzeit für viele Interim Manager aus der Liga „Tagessatz 1.000 Euro plus“ jenseits aller Vorstellungskraft bewegte. Die Schimpfwörter, die ich mir habe anhören müssen, reichten von „sittenwidriges Verhalten“ über „Raubrittertum“ bis zu „Wegelagerei ungeahnten Ausmaßes“.
Ich habe Prügel bezogen, als wir das Blog für alle brachten („Braucht kein Mensch“) und dann – ein Highlight in meiner ganz persönlichen Geißelei! –, als wir für die Softskills auf die Persönlichkeits-Struktur-Analyse setzen: Ausnahmslos jeder Mitarbeiter aber auch jeden Providers könne das besser einschätzen als solch ein „Diagnostic Tool“.
Ich sollte ein weiteres Highlight der modernen Prügelstrafe erleben, als wir zu Beginn der Corona-Krise die Aktion „Besserungsschein“ brachten und man mich nach allen Regeln der Kunst steinigte. Mit DDIM-Interim Managern in der ersten Reihe, von denen der eine oder andere daraufhin entrüstet die Geschäftsverbindung beendete.
Auch das Ende der Geschäftsverbindung bedeutete unser Video Interim Management – Phönix aus den Trümmern von Armageddon? für einen Interim Manager, der aus unserem Kommentar zur Heuse-Studie seine ganz persönlichen Konsequenzen zog. Die in diesem Zusammenhang bei LinkedIn abgelaufene Wettstreit zwischen den Pro- und dem Contra-Lagern ist in unsere noch junge Unternehmensgeschichte eingegangen.
Der Effekt aus all dem ist jedoch, dass es mich nicht mehr trifft. Es perlt inzwischen ab wie Wassertropfen auf einer Nano-Beschichtung. Hierzu gehören auch die zwei, drei „Fans2, die zuverlässig jedes Flashlight mit einem „Daumen `runter bewerten, kaum dass wir es veröffentlicht haben. Das musst Du inzwischen abkönnen in der Digitalen Welt! Kannst Du das nicht, dann lass die Finger davon…
Ich verbringe ein Drittel meiner Zeit mit digitaler Technik
„Ich müsste mal meine Website aktualisieren!“, lautete eine populäre Aussage noch zu Providerzeiten. Inzwischen lebe ich in der Digitalen Welt. Wenn ich morgens – noch vor dem Frühstück – den Rechner hochfahre, dann öffnen sich: UNITEDINTERIM-Frontend, UNITEDINTERIM-Backend, Twitter, Xing, YouTube, Hootsuite und der Entwicklungsserver bei April&June in Berlin – ich habe dort regelmäßig zu testen. Es gibt praktisch keine 48 Stunden, ohne dass ich irgendein Thema, irgendeine Idee, irgendeinen Verbesserungsvorschlag in Berlin einkippe.
Um das alles abzurunden lädt Outlook Mails ab in einem Stakkato, das mich an meine Zeiten bei Daimler Chrysler/Debis und Accenture erinnert. Telefonate führe ich kaum noch – und wenn, dann nur nach Terminvereinbarung: Unterm Strich wohl im Verhältnis 1 zu 10 verglichen mit Teams, Zoom oder Skype.
Ich verbringe ein weiteres Drittel meiner Zeit mit dem Schreiben
Im engeren Freundeskreis heißt es inzwischen, ich hätte meine eigentliche Berufung als Journalist verfehlt. So weit würde ich nicht gehen, jedoch bleibt Fakt: Verglichen mit meiner Aversion gegen Aufsätze und sonstiges freies Schreiben während der Schulzeit ist mein jetziges Tun in höchstem Maße verstörend! Zu den meine Zeit aufsaugenden Aufgaben gehören Texte für die Website, Artikel, Tweets, Video-Scripts – und natürlich auch dieses Blog, nicht zuletzt die gegen unendlich tendierende Anzahl von Antworten auf das Mail-Stakkato aus dem zweiten Punkt.
Ich verbringe die restlichen beiden Drittel meiner Zeit mit der Qualitätssicherung
Die Qualitätssicherung für die Unterlagen der Interim Manager: Kein Witz! Ich bin an dieser Stelle mehrfach darauf eingegangen, dass ich diese Aufgabe dramatisch unterschätzt habe! Und je mehr Unterlagen die Interim Manager über die Infrastruktur von UNITEDINTERIM bereitstellen können (CV, PSA, 3 Case Studies, Video und Blog), umso mehr Arbeit landet auf meinen Tisch. Dahinter steckt keineswegs die Botschaft, die Interim Manager seien zu blöde dafür. Ganz im Gegenteil! Was fehlt, ist die Erfahrung mit diesen Dingen – und dann der Abgleich mit den aktuellen Erwartungshaltungen der Kunden in den Unternehmen. Und die kenne ich halt nicht nur aus bald 20 Jahren: Fatalerweise sind diese Anforderungen in den vergangenen Jahren dramatisch gestiegen!
Und da wird halt nicht goutiert, wenn ein Interim Manager eine Projekt-Station aus dem CV über „Cut&Paste“ in eine andere Ecke unseres Systems überträgt und „Case Study“ drüberschreibt. Nein, der typische Kunde fühlt sich verschaukelt, zumindest jedoch nicht ernst genommen.
Ebenso wenig wird ein Kunde frohlocken, wenn seine Wissbegierde auf einen Hort von Bullet Points trifft, die beinahe naturgegeben mehr Fragen offenlassen, denn beantworten. Oder, wie in dieser Woche, wenn die Case Study sich in Allgemeinplätzen ergeht, statt konkret zu beschreiben, was der jeweilige Interim Manager denn nun tatsächlich gemacht hat. „Öffnen Sie doch mal die Motorhaube!“, habe ich dem Interim Manager geraten. Inständig bitte ich darum, mir nicht die Frage zu stellen, wie sich das bei einem jährlichen Erlös von 540 Euro rentieren soll…
Ich tue es dennoch – und durchaus reagiert der eine oder andere Interim Manager irritiert, wenn ich sein Werk nicht einfach durchwinke. Ich habe mir angewöhnt, in solchen Situationen auf diese Weise zu antworten:
„Ich möchte Ihnen gern erläutern, weshalb ich so derart darauf dringe, dass wir für Sie als Interim Professional mit der Positionierung [USP] und einem Tagessatz von [Betrag] Euro ein überzeugendes Dokument zur Verfügung stellen können – und ich möchte unbedingt vermeiden, dass ich als „Oberlehrer“ auf Sie wirke.
Für Sie ist ein exzellentes Dokument – bei dieser Positionierung – absolut alternativlos, um mit der Kanzlerin zu sprechen.
Für mich gilt das Gleiche, denn der Markt weiß, dass ich hier die Case-Studies qualitätssichere: Und ich muss – auch hier geht es um Reputation – ein Feedback aus der Ecke „Was hat der Becker denn da freigeschaltet?“ um jeden Preis vermeiden. An dieser Stelle bitte ich Sie aufrichtig um Nachsicht, dass ich so handeln muss.
Inzwischen habe ich 112 Case Studies freigeschaltet und 83 Blogbeiträge…
Ich habe praktisch keine Zeit mehr fürs Projektgeschäft
Auch hier zeigt sich, dass es für mich zwingend war, den AIMP zu verlassen: Denn ein Projektgeschäft wie es vor Jahren bei MANATNET üblich war und bei den Providern heute üblich ist, mache ich nicht mehr. Kann ich nicht mehr machen. Tut mir das leid? Nein, überhaupt rein gar nicht!
Inzwischen sorge ich mit der einzigen offenen Plattform im Interim-Business der DACH-Region dafür, dass viele andere mit vielen anderen ihr Projektgeschäft selbst machen können: Und das noch provisionsfrei. Das hat sehr viel mehr Dynamik – und so etwas liebe ich.
Die Rückseite dieser Medaille hat jedoch eine andere Prägung:
Die Leiden des alten B.