Montag 28. April 2025

INTERIM-BUSINESS: PROVIDER – EIN AUSLAUFMODELL?

Provider-Bashing scheint wieder schwer in zu sein. Zumindest festigt sich dieser Eindruck bei mir. Zum Beispiel in diesem letztlich empfehlenswerten Newsletter, der kaum gute Haare an Providern lässt. Oder aber hier – wesentlich marktschreierischer.

 

Jeder, der über lange Jahre im Interim-Business unterwegs ist, der weiß: Das Provider-Bashing ist nicht neu: Hier ein Beleg aus dem Jahr 2018.

 

Die Kritik ist im Kern stets dieselbe: „Doorkeeper“-Attitüde und (ungerechtfertigt) hohe Provisionen! Zudem: Zu viel Hochglanz-Broschüre und zu wenig echter Mehrwert. Statt die Provider „reich“ zu machen, sollten die Interim Manager und Managerinnen vielmehr auf eigenen Vertrieb setzen. Sie sollten starkes, eigenes Marketing machen – und vor allem auf Netzwerke setzen sowie (aus der Sicht einiger, mitunter lauter Protagonisten) sich im Idealfall einer Sozietät anschließen.

 

Ich kann das alles inhaltlich nachvollziehen und auch deshalb habe ich mit Dr. Harald Schönfeld im Jahr 2017 UNITEDINTERIM gegründet.

 

Wenn das alles so klar, so eindeutig wäre, dann würde kein Interim Manager, keine Interim Managerin mehr mit irgendeinem Provider zusammenarbeiten.

 

Wenn das alles so klar, so eindeutig wäre, dann würde kein Unternehmen, das auch nur einigermaßen bei Sinnen ist, weiterhin mit Providern zusammenarbeiten.

 

Ist es aber eben nicht! Nach wie vor arbeiten die Interim Manager mit Providern zusammen – mit dicht an 200 in der DACH-Region! Und nach wie vor beschaffen Unternehmen in nennenswertem Umfang ihre Interim Manager und Managerinnen über Interim-Provider.

 

Woran also kann das liegen?

 

Zunächst ist es wohl weitgehend unerheblich, was Sendungsbewusste bei LinkedIn schreiben. Wäre es nicht so, dann würden die Provider, wenn schon nicht vom Markt verschwinden, so doch massiv Geschäft verlieren. Dem ist aber nicht so: etwas vielleicht – aber massiv sicher nicht…

 

Was also sind die Gründe hierfür?

 

Schauen wir uns die beiden Protagonisten und deren Beziehung zu den Providern an: Die Interim Manager auf der einen Seite und die Unternehmen auf der anderen.

Interim Manager

 

(1) Jeder darf das anders sehen. Ich jedoch behaupte keck: Mindestens drei Viertel der Interim Manager haben von unternehmerischem Handeln, von Vertrieb und Marketing in eigener Sache so gut wie keinen Schimmer. Das ist nicht weiter verwunderlich, denn damit hatten sie in der Vergangenheit in Festanstellung nichts zu tun. Selbst „Vertriebler“ können wir hiervon nur zum Teil ausnehmen. Der neu ins Interim Business einsteigende „Interim Manager“ denkt in den vertrauten Denkwelten der „Bewerbung“ – und bleibt auch gern einmal bei diesem Begriff. Auch dies ist beileibe keine neue Erkenntnis „„VERTRIEB“ ENTHÄLT DAS VERB „TREIBEN“!“ (2020)

 

Die Unterlagen der neuen Interim Manager sind ein ganz besonderes Thema: Denn die meisten Interim Manager arbeiten in aus der Festanstellung vertrauten CV-Strukturen und nicht mit einem „Verkaufsprospekt in eigener Sache“. Auch daran hat sich in neun Jahren kaum etwas geändert: „Interim Manager: Euer Lebenslauf ist eine Qual!“ (2016) – obwohl ich diesem Thema drei Jahre darauf ein eigenes Video gewidmet hatte: „Wie mache ich den CV zum Verkaufsprospekt in eigener Sache? (2019)“. Das Video rangiert unter den Top 3 des UNITEDINTERIM-Kanals: But, so what…?

 

(2) Folglich sollten neue Interim Manager gleich zu Beginn hier nachrüsten vulgo lernen. Jedoch – auch das darf jeder anders sehen – zeichnet sich die Spezies Interim Manager in der Breite (!) nicht unbedingt durch ein ausgeprägtes Streben nach Weiterbildung aus: Die einschlägigen Bildungsträger berichten unisono von Schwierigkeiten, die jeweiligen Kurse voll zu bekommen. Sicher, es gibt eine sichtbare Anzahl von Interim Managern, die sich weiterbilden. Sichtbar deshalb, weil sie das frisch erworbene Zertifikat gern als Trophäe bei LinkedIn präsentieren. Das jedoch ist eine absolute Minderheit!

 

(3) Hier erklärt es sich dann, weshalb – von einer kleinen Gruppe abgesehen – die Interim Manager bei den Providern landen. Typischerweise bei 7 – ich weiß von Interim Managern, die mit mehr als 50 Providern zusammenarbeiten…

Provider als externer Vertrieb für Interim Manager

Die Provider machen den Vertrieb für die Interim Manager: Sie haben den Kundenzugang, sie wissen wie die Unterlagen der jeweiligen Interim Manager aufbereitet werden. Und sie wissen vor allem, dass ein Dokument für einen Produktionsleiter vom Kunden als hochgradig irritierend ankommt, wenn der erste Satz verblüffender Weise lautet: „Erfahren im internationalen Key Account-Management!“

 

Weil die meisten Interim Manager nicht unternehmerisch geprägt, sind, wird gern übersehen, dass zu den Kostenträgern, die die Kalkulation des eigenen Tagessatzes abzudecken hat, der kalkulatorische Vertriebsaufwand gehört. Wenn ich ein Mandat akquiriert habe, dann decke ich so die – unbezahlte – Zeit ab, die ich am Markt für eben diese Akquisition verwenden muss. Wenn jedoch ein Provider (also nicht ich, sondern ein Dritter) mir ein Projekt bringt, dann muss ich im Tagessatz an den Kunden keine eigenen Vertriebskosten abdecken. Aber der Provider muss das!

Der Fehler im Provisionsmodell

 

Ich kann also in einer sauber idealen Welt meinen Tagessatz um die eigenen kalkulatorischen Vertriebskosten senken und somit Raum für das Entgelt des Providers schaffen. Für das Unternehmen als Endkunde würde sich so der Preis, der Tagessatz, idealtypisch nicht von dem unterscheiden, den es zahlen würde, wenn es den Interim Manager selbst identifiziert hätte.

 

Drei Konjunktive… Denn genau so funktioniert der Markt nicht – und ich geißele das seit zwei Dekaden! Denn das korrekte Modell zeigt uns die Welt der Kunst. Wie passend, sieht sich doch der eine oder andere Interim Manager auch als „Künstler“: Sie haben für ein Bild von Picasso stets den gleichen Preis zahlen müssen – gleichgültig, ob Sie beim Meister in La Galloise (Vallauris) oder bei Kahnweiler gekauft hätten.

 

Stattdessen bestehen die Interim Manager (typischerweise) auf „ihrem Tagessatz als nicht verhandelbar“. Einige geben dann im Rahmen der abschließenden Verhandlungen einen Hunderter nach, vielleicht 150 Euro. Auf keinen Fall aber die 25 Prozent, die landläufig als kalkulatorische Vertriebskosten eingerechnet werden sollten.

 

Und so muss dann der Provider auf den „nicht verhandelbaren Tagessatz“ von sagen wir 1.200 Euro seine Marge hinzurechnen. Und das ergibt bei einem Provisionssatz von 25% des Kundensatzes dann halt 1.600 Euro. Bei Vollauslastung ergbit das monatlich 8.000 Euro mehr Cash-Outflow für den Kunden. Und prompt empfinden rund ein Drittel der Unternehmen Interim Management „als zu teuer“, was der AIMP bis ins Jahr 2023 für jedes einzelne Jahr nachwies.

 

AIMP-Providerumfrage. Ablehnungsgründe für Interim Management

 

An dieser Stelle liegt das Grundübel! Richtig ist – davon rücke ich nicht ab! – in diesem Modell: 1.200 Euro für den Kunden, 300 Euro für den Provider und 900 Euro für den Interim Manager.

Unternehmen

 

(1) In einer Welt des homo oeconomicus würde ein Unternehmen einen Provider nur im Ausnahmefall ansprechen – nämlich dann, wenn es trotz allen Bemühens selbst nicht zum Ziel kommt. Bis dahin gilt:

 

„Unser Unternehmen hat Personaler an Bord, die das Recruiting beherrschen. Deren Aufgabe ist es, genau die Menschen für unser Unternehmen zu gewinnen, die wir brauchen. Unabhängig von Aufgabe, Ausrichtung oder Vertragsform. Hierzu bedarf es grundsätzlich nicht dritter Dienstleister. Ausnahmen erfordern die Genehmigung der Geschäftsführung.“

 

(2) Dennoch und trotz Internet, KI und Plattformen sprechen Unternehmen die Provider in nennenswertem Umfang an und bitten sie um Vorschläge: Selbstverständlich unverbindlich und so gut wie immer kostenlos! Dass dann knapp die Hälfte dieser Anfragen – in einigen Jahren deutlich mehr! – nicht zum Mandat für den Provider führt, ist eine spektakuläre Schwäche in diesem System. Mit dem sich die Provider jedoch ganz offensichtlich resigniert abzufinden scheinen. Auch das weist der AIMP seit Jahren nach.

 

AIMP-Providerumfrage: Lead-to-Deal_Quote

 

(3) Dieses hochgradige Arbeiten für den Mülleimer müssen fatalerweise genau diejenigen Unternehmen finanzieren, die an den Provider tatsächlich einen Auftrag vergeben. Sie spülen den Cash ins Provider-Konto, um unter anderem die Mitarbeiter zu bezahlen, die für den Mülleimer gearbeitet haben. Ich überlasse es meinen Lesern abzuschätzen, wie weit die Marge sinken könnte, wäre dies nicht so.

Warum also setzen Unternehmen noch immer auf Interim-Provider?

 

Trotz transparenter Plattformlösungen und wachsender Netzwerke beziehen viele Unternehmen Interim Manager weiterhin über klassische Provider – und nehmen dabei bewusst höhere Kosten in Kauf. Warum ist das so?

 

Ich denke: Es geht weniger um Wirtschaftlichkeit als um Gewohnheit, Prozesse und das Bedürfnis nach Absicherung. In Deutschland: Vor allem um Gewohnheit.

 

(1) Risikominimierung: Provider übernehmen rechtliche Vorprüfungen, liefern standardisierte Verträge und garantieren eine gewisse Form von Compliance – ein Sicherheitsnetz, das vielen Einkaufsabteilungen wichtig ist.

 

(2) Mangel an internem Know-how: Wer Interim Manager nur selten einsetzt, hat oft kein belastbares Netzwerk. Der Aufbau eigener Strukturen ist aufwendig – der Rückgriff auf einen „bewährten“ Dienstleister naheliegend.

 

(3) Zeitdruck & Bequemlichkeit: Wenn schnelle Lösungen gefragt sind, liefern Provider vermeintlich sofort – inklusive Vorauswahl, Vertragsgestaltung und Administration.

 

(4) Etabliertes Vorgehen: In vielen Organisationen ist der Provider-Prozess genehmigt, freigegeben, bekannt. Ein neuer Weg würde bedeuten: interner Aufwand, Rückfragen, Diskussionen.

 

(5) Delegation von Verantwortung: Und manchmal ist es schlicht bequemer, Verantwortung abzugeben. Wenn die Auswahl nicht passt, zeigt man auf den Dienstleister.

 

(6) Kalkulation nach Innen: Entscheidend ist nicht der Tagessatz – sondern der Eindruck, den die Lösung intern hinterlässt. Und der ist oft umso besser, je weniger Aufwand sie verursacht.

 

Sicher: Irgendwann wird jeder dieser sechs Punkte an Gewicht verlieren und damit das gesamte Konstrukt zusammenbrechen. Dafür wird nicht zuletzt die KI sorgen. Bis dahin jedoch ist der Provider ebenso sicher kein Auslaufmodell.

 

Und das schreibe ich als einer der Eigentümer von UNITEDINTERIM. Einer auf das Interim Management spezialisierten Plattform…

 

 

Bild: „Interim-Provider: Ein Auslaufmodell?“ erzeugt von ChatGPT