Tatsächlich gibt es noch mehr in meinem Leben als Interim Management. Und so jogge ich jeden Morgen eine Stunde lang durch die schwarzen Wälder – mitunter etwas mehr. Hierfür gibt es zwei wesentliche Gründe:
Als engagierter Koch und Feinschmecker habe ich eine Schwäche für gutes Essen (und guten Wein) – eine Eigenschaft, die Kalorien schafft und auf Dauer den Körper schlafft. Regelmäßiges Joggen kurbelt die Verbrennung ebendieser Kalorien an – und bringt, wie beruhigend!, Inflow und Outflow ins Gleichgewicht.
Mindestens gleich wichtig: Der Kopf hat Ruhe und wird frei in der Natur, das Hirn erhält eine Sauerstoff-Dröhnung – und die wiederum regt die Leistungsfähigkeit des Hirns an, bei mir sogar in der kreativen Ecke. Daher wird mich niemand mit Ohr- oder gar Kopfhörern durch den Wald rennen sehen…
Ich gebe es gern zu: Ich nehme tatsächlich Aufgabenstellungen, ja Probleme mit zum Joggen! Und bemerkenswerter Weise komme ich in aller Regel – ermattet zwar – aber doch mit einer Lösung, zumindest aber mit einem Lösungsansatz heim.
Derzeit beschäftigt mich sehr die eher negative Schwingung im Begriff „Interim Manager“, auf die ich in meinem Blog vom vergangenen Freitag eingegangen bin [DIE INTERIM-SZENE MUSS NOCH PROFESSIONELLER WERDEN]. Und ich habe tatsächlich hier noch keine Lösung – soweit auch die Füße tragen!
Und so beschäftigt mich dies:
In dieser Woche habe ich ausführlich mit einem mittelständischen Unternehmer gesprochen, der sein Unternehmen in zweiter Generation durch die Jahre ab 2003 führen musste. Die Bankenkrise also mitgemacht hat und ihre Auswirkungen auf die Wirtschaft, die Automobilindustrie und damit sein eigenes Unternehmen.
400.000 Euro für Berater versenkt
Diese zwei Stunden werde ich nicht so schnell vergessen: Auf Druck der Banken mussten erst der eine, dann der andere Berater an Bord geholt werden – die halt berieten – gegen fettes Salär (sogar Unternehmensanteile standen im Raum: auf Drängen der Banken!) –, jedoch nichts „machten“ [EIN INTERIM MANAGER IST EIN INTERIM MANAGER].
Am Ende wurden gut 400.000 Euro cash an die Berater überwiesen: Fast das Vierfache des Jahresgehaltes des Eigentümerunternehmers und ein Betrag, bei dem so mancher Mittelständler in die Knie gegangen wäre. Dieser halt auch – und in diesem Sog der Eigentümer gleich mit: Er musste Privatinsolvenz anmelden. Die Berater nicht…
Vier Jahre später hat er sich davon noch immer nicht erholt – auch wenn mein Gegenüber einen bemerkenswert gelassenen und positiv gestimmten Eindruck auf mich gemacht hat.
Ich weiß: Ich habe nur die eine Version der Geschichte gehört – und sicher hat die andere Seite auch eine andere Sicht auf dieselbe Entwicklung.
Dennoch, und auch wenn es immer unbewiesen bleiben wird: Ich bin der festen Überzeugung, dass es in jener Situation mit einem Restrukturierungs- und Banken-erfahrenen Interim Manager gelungen wäre, dieses Schicksal abzuwenden. Allein der Begriff „Bankenhaftung aus Quasi-Geschäftsführung“ hätte zu hochinteressanten Diskussionen geführt.
Aber es ging noch weiter:
Das Unternehmen kam nach der Insolvenz wieder auf die Beine. Auf wackeligen Beinen und zitternd zwar und unter anderem Namen sowie mit dem bisherigen Eigentümer als angestelltem Geschäftsführer an Bord – mit einem Gehalt leicht oberhalb der Pfändungsfreigrenzen.
Aus nach Dekaden des Erfolgs
Das Unternehmen entwickelte sich leidlich positiv und sollte dann an einen Investor verkauft werden. Auch das entwickelte sich positiv: Zu Beginn dieses Jahres fand das Unternehmen über eigene Kanäle (!) einen Investor und stellte ihn den Key Accounts persönlich vor, während das Team seiner Anwälte das Unternehmen auseinandernahm. Auf die Frage der Kunden, was denn noch schiefgehen könnte, antwortete der Investor überzeugend mit einem souverän schlagfertigen „Dass ein anderer mehr bietet als ich…!“.
Nach gut drei Monaten packten die Anwälte ein und verließen mit einem Gruß zum Wochenende das Unternehmen – nicht ohne darauf hinzuweisen, dass im Übrigen die Verhandlung jetzt zu Ende wäre: Der Investor hätte es sich anders überlegt und würde nicht einsteigen….
Der anschließende Anruf beim Investor unter der Überschrift „So geht´s aber auch nicht!“ lief ins Leere.
Von „Break up-Fees“ oder Penalties hatte der Mittelständler ganz offensichtlich nie gehört. Nach Dekaden des Erfolgs wird das Unternehmen zum Ende dieses Monats nunmehr geschlossen.
Tilt! Game over!
Ich habe nicht vor, an dieser Stelle in das „Berater-Bashing“ oder „Heuschrecken“-Geblubber einzustimmen. Ich frage mich, weshalb ein Mittelständler wie dieser nicht viel mehr fragt – und sei´s nur, um seine eigene Entscheidung „übungshalber“ mal gemeinsam mit einem Dritten in Frage zu stellen. Oder mal seine XING-Kontakte durchzuschauen (wofür habe ich die eigentlich?), ob da nicht jemand dabei ist, der solche Aufgabenstellungen kennt und vielleicht mit Rat, wenn schon nicht mit Tat, zur Seite stehen kann.
Es tut mir leid: Ich begreife das einfach nicht. Auch nicht nach 33 km Jogging! Aber mir kam beim Laufen ein Bonmot von Erhard Blanck (deutscher Heilpraktiker, Schriftsteller und Maler) in den Sinn:
Vertrauen geht auch jedem Untergang voraus.