Freitag 06. Oktober 2017

EIN ZEICHEN VON FAULHEIT ODER ABER DUMMHEIT

Interim_Management_Blog_Foto_Juergen_Becker_Schrat_Keitum_Sylt_2017Social Media sehe ich durchaus nicht nur positiv. Die Sprüche, die manche Menschen dort absondern, sind stellenweise unerträglich und erfordern Höchstleistungen von Moderatoren oder ein sehr dickes Fell von mir.

 

Wie so vieles, was neu ist – und trotz der Schnelligkeit in der Digitalisierung: Social Media ist noch recht neu! – leidet Social Media unter Kindekrankheiten: eine Art digitaler Mumps.

 

Daraus als Interim Manager jedoch ableiten zu wollen, das sei alles Quatsch und „das brauche mer net!“: Das halte ich persönlich für grob fahrlässig im Business – und ganz besonders im Interim Management.

 

Im Blogeintrag vom vergangenen Freitag bin ich darauf eingegangen, dass wir es uns nicht leisten können, den Anschluss zu verlieren – und ganz besonders nicht im Interim Management.

 

Nein, ich sage nicht, dass wir alles Neue sofort und unbesehen annehmen sollten: Ich habe nie etwas von „Second Life“ gehalten – und ich lag richtig. Ich habe aber auch anfangs nichts von der Digitalfotografie gehalten – und ich lag so falsch, wie ein Mensch nur falsch liegen kann.

 

Maximal vereinfacht: Ich liege bei jedem zweiten Thema daneben.

 

Ich betone noch einmal: Ich sage nicht, dass alles Neue automatisch toll ist!

 

Aber, ich sage: Wie kann ich etwas ablehnen, was ich nicht soweit kenne, dass ich es einschätzen kann? Auf welchem Fundament steht dann meine Entscheidung?

 

Und wenn das Interim Manager tun, dann zucke ich regelmäßig zusammen!

Twitter und Facebook sind keine seriösen Medien

 

„Twitter nutze ich nicht. Genauso wenig wie Facebook. Das sind für mich keine seriösen Medien und werden zu oft missbraucht. Daran möchte ich mich nicht beteiligen.“

 

Okay, respektiert! Wie ich stets die Meinung meines Gegenübers respektiere.

 

Aber, verehrte Interim Manager, lassen Sie mich folgende Fragen stellen:

 

  • Sie arbeiten im Vertrieb – Schwerpunkt Endkunden: Glauben Sie tatsächlich, dass Sie bei Ihren Kunden überleben werden, wenn Sie nicht wissen, wie Facebook funktioniert – während sich die Kunden Ihres Kunden genau dort tummeln?
  • Sie arbeiten im After-Sales-Bereich: Glauben Sie tatsächlich, dass Sie ohne Twitter im Service bestehen können, während Ihr Wettbewerb genau das anbietet?
  • Sie arbeiten in HR: Glauben Sie wirklich, Sie können in der Mitarbeitergewinnung auch nur mittelfristig bestehen, wenn Ihr Wettbewerb Twitter und Facebook im „Active Sourcing“ einsetzt – aus beiden Rohren feuernd?

 

Wer als Interim Manager nur eine einzige dieser Fragen mit „ja“ beantwortet, dem empfehle ich eine Cash out-Strategie für sein eigenes Business, denn (aus meiner ganz persönlichen Sicht) wird es in fünf Jahren kein Business mehr für ihn oder sie geben. Spätestens in fünf Jahren!

 

Beim AIMP-Jahresforum im vergangenen Jahr hatten wir erstmals eine kleine App angeboten – die uns im Übrigen einiges an Geld gekostet hatte. Sie sollte alle Infos zu Programm, Workshops und zum kulinarisch, vinophilen Angebot bereitstellen sowie die Teilnehmerliste ersetzen. Vor allem aber sollte sie den Interim Managern direkt vor Ort zeigen, wer da ist – und wie er oder sie aussieht: Man findet einen Menschen im Getümmel halt leichter, wenn man weiß, wie er aussieht.

Sind Interim Manager digitale Banausen?

 

Die App wurde von kaum 20 Prozent der Teilnehmer heruntergeladen und, unfassbar!, 4 Teilnehmer hatten mich als Organisator des Events, vor Ort und mitten im nervenzerfetzenden Trubel gefragt, wie man denn die App herunterladen könne…

 

Ich bin erschüttert darüber, dass ganz offensichtlich

 

  • eine Vielzahl der Interim Manager weder bei XING, noch bei LinkedIn dabei sind (Zitat eines Marktteilnehmers: „Diese Leute kann ich doch gar nicht mehr als Geschäftspartner ernst nehmen!“);
  • zahlreiche Interim Manager nicht wissen, wie XING funktioniert – und wofür man XING nutzen kann und wofür nicht;
  • viele Interim Manager eine Aversion gegen Facebook haben – und deshalb nicht wissen, was Facebook für ihre Kunden [die der Interim Manager] bringen kann;
  • die wenigsten Interim Manager die Macht von Blogs für die eigene Positionierung als Fachmann oder Fachfrau verstanden haben;
  • für den Suchbegriff „Interim Manager“ bei Youtube unter den ersten 80 Treffern nicht mehr als drei Interim Manager aus der gesamten DACH-Region unter dem Suchbegriff „Interim Manager“ mit einem eigenen Videos vertreten sind und dass
  • kaum ein Interim Manager mit Instagram, Flickr oder Pinterest etwas anfangen kann.

 

Mal ehrlich: Glaubt wirklich irgendjemand, dass damit die Begriffe „modern“, „innovativ“ und „ganz vorne dran“ assoziiert werden – oder gar „Spezialist für Digitalisierung meines Unternehmens“ sowie „Whatever 4.0“? Never ever!

 

Vor Ur-Zeiten, als ich in Unternehmen angestellt tätig war, sagten die Chefs sehr gern in bestimmten, oftmals neuen Situationen: „Das muss ich nicht können: Dafür habe ich meine Leute!“

 

Nein, ich propagiere nicht, dass die Chefs oder die Interim Manager alles können oder gar alles selbst machen müssen. Ich weiß auch nicht alles und ebenso wenig mache ich alles. Aber ich weiß, wovon ich rede – oder aber, ich halt´s Maul.

 

Ein Interim Manager hat per definitionem aber keine Leute. Wenn er oder sie´s nicht weiss oder macht, dann hat das Angebot (neudeutsch: Service Offering Portfolio) eklatante Lücken und somit mittelfristig keine Zukunft. So hart das auch sein mag: Die Flucht in ein „Das muss ich nicht können: Dafür habe ich meine Leute!“ ist dem Interim Manager deshalb bedauerlischerweise verbaut.

 

Was seinerzeit wohl smart oder nonchalant wirken sollte, war für mich stets vielmehr:

 

Ein Zeichen von Faulheit oder aber Dummheit!

 

Kommentare

  • 01
    Klaus J Voss schrieb...

    Über Farcebook und Twitter sollte man wirklich besser zweimal nachdenken, lieber Herr Becker !!

    Vielleicht ist das auch nur eine andere Form von „Second Life“ …?
    Denen ist sogar für drei Jahre das Erzbischöfliche Seelsorgeamt Freiburg mit der virtuellen Kirche „St. Georg“ auf den Leim gegangen. ;-))
    Man bot bei SL regelmäßig stattfindende Veranstaltungen (Gebetskreise, Bibelstunden oder Diskussionsrunden) an, um gemäß eigener Aussage Chancen und Grenzen eines kirchlichen Engagements in dreidimensionalen virtuellen Welten auszuloten. ;-((

    Zu Twitter und Farcebook hier einmal FEFE´s Blog:

    „[l] Das ist ja keine neue Einsicht, dass die Tech-Konzerne ihre Produkte mit mehr oder weniger unseriösen Methoden auf möglichst hohen Suchtfaktor optimieren. Schon bei den Facebook-Likes geht es darum, bei Leuten die Belohnungssysteme im Hirn zu triggern. Nicht damit sie sich besser fühlen, sondern damit sie SÜCHTIG werden und mehr Zeit auf der Plattform verbringen.

    In Computerspielen ist die Schraube noch eine Runde weiter gedreht worden und zu einer Wissenschaft geworden, wie man Spiele „free to play“ machen kann, um dann auf andere Art Suchteffekte zu nutzen, um die Leute zum Zahlen zu bringen. Es gibt ja keinen rationalen Grund, ein Spiel zu spielen, das dann aktiv Grinding-Effekte einbaut, damit man einen Anreiz hat, sich davon freizukaufen. Wo sonst gibt man für Dinge Geld aus, die einen nur ärgern? Bei Zigaretten und Alkohol.

    Hier gibt es einen ganz aufschlussreichen Artikel im Guardian dazu, wo sie beschreiben, wie die Leute, die bei Facebook den Like-Button eingeführt haben, jetzt alle professionelle Hilfe in Anspruch nehmen, um sich operativ das Facebook aus ihrem Tagesablauf entfernen zu lassen, das sie selbst gebaut haben !!

    Danach hat sich das dann ganz schnell wieder „ausge-Flickrt“ ;-))

    • 02
      Jürgen Becker schrieb...

      Genau das meine ich, lieber Herr Voss,

      das sind dann aber Diskussionen, die voraussetzen, dass man sich vorab einigermaßen intensiv mit der Sache auseinandergesetzt hat. Sie wissen: Ich vertrete als Minister der Finsternis ja keineswegs die „Super-dooper-alles-ist-ach-so-toll“-Mentalität. Aber ich vertrete die Meinung, dass wir uns mit den neuen Entwicklungen auseinandersetzen müssen – besonders als Interim Manager.

      Den Interim Managern von UNITEDINTERIM habe ich am Monatsanfang den Link auf den Vortag von Dr. Spitzer im Newsletter zukommen lassen (AUSWIRKUNGEN DIGITALER MEDIEN AUF KOGNITIVE ENTWICKLUNG). Wenn Sie das hören, dann geben Sie keinem Kind mehr ein Smartphone. Wobei im Titel „Kind“ wichitg ist – nicht „kein Smartphone“.

      Es geht mir um „Wissen“ anstelle von „Verdrängen“. Denn das von Ihnen oder mir Skizzierte muss ein Interim Manager (und natürlich auch eine Interim Managerin) eben wissen, wenn er seinen Kunden gut beraten will: Im Spannungsfeld zwischen Sucht und Manipulation sowie Positionierung im Wettbewerb.

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