Es ist unübersehbar: Die Digitalisierung hat als Thema inzwischen auch die letzte Ecke in Deutschlang erreicht – unabhängig davon, ob an der Milchkanne in jener Ecke 5G verfügbar ist oder nicht.
Meine Aussage ist in keiner Weise despektierlich gemeint! Stattdessen möchte ich unterstreichen, dass das Thema inzwischen bei so gut wie jedermann und jederfrau angekommen ist. Das Thema wohlgemerkt! Mehr noch nicht!
Dem einher geht – vereinfacht gesagt – eine Berichterstattung in den Medien, die unserem Land in Sachen Digitalisierung den Hinterbänkler-Status attestiert: Knapp Ausreichend – Versetzung gefährdet!
Es ist somit nur folgerichtig, dass Interim Manager und Interim Managerinnen hier ein neues, attraktives Geschäftsfeld für sich wittern – und sich entsprechend positionieren.
Noch einmal folgerichtig ändern sie die Visitenkarten und in den eigenen USPs, hält das „Buzzword“ Digitalisierung Einzug – und ersetzt vielfach die bisherigen Lieblinge „Change“ und „Prozesse“: Das lässt sich ganz eindeutig feststellen!
Nun ist ein „Buzzword“ noch kein Leistungsnachweis. So ist eine eigene Website, die – so schätze ich – kaum die Hälfte der Interim Manager anbietet, heute sicher nicht mehr als ein Hygienefaktor denn eine Referenz für die eigene Digitalisierungskompetenz. Und aus eigener Erfahrung kann ich sagen: Die allermeisten Interim Manager tun sich ausgesprochen schwer damit, die Frage zu beantworten: „Zeigen Sie mir doch bitte hier am Rechner, was Sie gemacht haben…!“
5 in der Szene attestiere ich Digitalisierungskompetenz
Wenn wir uns die Dienstleister im Interim-Business anschauen – immerhin ein knapp 2,5 Mrd. Euro Markt (Quelle: AIMP-Studie 2019): Dann zähle ich gerade mal 5 Menschen, denen ich eine tatsächlich nachgewiesene Digitalisierungskompetenz attestieren würde. Dass ich mich hier einschließe – ganz arrogant – versteht sich von selbst.
Auf den Punkt gebracht, denke ich ganz persönlich (wie stets hat jeder das Recht, das anders zu sehen!): Hier klaffen Eigen- und Fremdbild ganz erheblich auseinander!
Auch wenn der Workshop „Digitalisierung“ beim AIMP-Jahresforum im April mit – Achtung! – gerade mal einem Dutzend Teilnehmern sicher nicht repräsentativ gewesen ist, so hat er aus meiner Sicht die aktuelle Lage recht gut wiedergegeben:
Ein Interim Manager vertrat die Auffassung, Interim Manager seien perfekt dafür geeignet, die Digitalisierung der Unternehmen zu begleiten, weil sie [die Interim Manager] erfahren in Prozessen und Change-Management seien.
Ich habe dagegen argumentiert:
„Interim Manager – nicht alle – sind tatsächlich auf diesen Feldern erfahren, jedoch lässt sich dies nicht so ohne Weiteres auf die Digitalisierung übertragen, weil Digitalisierung mit dem entsprechenden Denken beginnt. Und hier, im digitalen Denken, sind die derzeit am Markt tätigen Interim Manager auf gar keinen Fall Vorbilder. Gleiches gilt für den theoretischen Unterbau, auf den gerade Interim Manager auf den traditionellen Feldern gern verweisen, wenn sie sich als Methoden-sicher beschreiben.
Deshalb fürchte ich, dass die Unternehmen den allermeisten Interim Managern nicht die erforderliche Kompetenz für Digitalisierungsprojekte attestieren werden – solange, bis die nächste Generation der Interim Manager nachrücken wird.“
[Anmerkung: In diesem Zusammenhang verweise ich auf den Mitschnitt des Webinars von Raphael Knuth „Wie kann ich mich als Interim Manager digital transformieren?“]
Da war natürlich Stimmung in Raum 4 auf Burg Schwarzenstein.
Wer aber konnte ahnen, dass der eigentliche Hammer noch kommen sollte, als eine – im Vergleich – auffallend junge Interim Managerin das Wort ergriff:
Ich bin neu im Interim Management
„Ich bin neu hier – und neu im Interim Management.
Ich habe die letzten 10 Jahre in Silicon Valley verbracht – und wenn ich Ihnen hier so zuhöre, dann muss ich Ihnen sagen: Sie sind zehn Jahre zurück.
Selbst das Datenbank- und Pool-Thema wirkt veraltet, denn in den Staaten nutzen die Unternehmen Lösungen, die auf alles, wirklich alles im Web zugreifen. Auf diese Weise machen sich die Unternehmen ein Bild von Ihnen, bevor sie auch nur mit Ihnen reden – was die so genannten „Soft Skills“ einschließt.
Und wenn Sie nicht da sind im Web, wenn die Unternehmen keine relevanten Informationen über Sie finden im Web, dann existieren Sie für die Unternehmen nicht.“
Der eine oder andere litt plötzlich unter Schnappatmung…
Von fast 200 Teilnehmern an jenem Samstag haben das nur rund ein Dutzend Interim Manager und Managerinnen mitbekommen. Deutlich über 90 Prozent werden weiter in ihrer eigenen Komfortzone verweilen…
Zumindest ich bin doch recht nachdenklich heimgefahren.
Es hat mich daher nicht weiter überrascht, dass mir eine Interim Managerin in dieser Woche schrieb:
„Gestern sagte eine Dame bei einer Veranstaltung zur Digitalisierung zu mir:
‚Die Digitalisierung wird uns noch alle in den Wahnsinn treiben!‘“