AUF EINMAL KANNST DU ÜBER DIE SCHREIBTISCHKANTE SEHEN

 

Zwei Dinge fallen mir auf: Der ganz überwiegende Teil der Kunden, mit denen wir in Kontakt kommen, wirkt gehetzt, unter Druck.

 

Und: Der Vortrag mit dem besten Feedback beim AIMP-Jahresforum in der vergangenen Woche war wohl (denn die Analyse ist noch nicht abgeschlossen) der Vortag von Herrn Straesser zum Thema Burnout.

 

Das spiegelt sich in unserem Tagesgeschäft wider:

 

Kunden, mit denen wir seit Ende März im Gespräch sind, weil sie Interim Manager für unternehmenskritische Aufgaben (die sie mir gegenüber im Detail beschrieben haben) benötigen, kommen keinen Schritt weiter, weil sie (Zitat) „nicht mehr über die Schreibtischkante sehen können.“

 

Nun frage ich mich schon seit einiger Zeit („EIN BLOGGER IST NICHT EVERYBODY´S DARLING“): Was ist denn bloß los in einigen Unternehmen?

 

Sicher ist es dicht an ehrenrührig, mein eigenes Unternehmen als Maßstab zu nehmen. Dafür sind wir zu klein und in der gesamten deutschen Wirtschaft zu unbedeutend.

 

Aber vielleicht kann dennoch das eine oder andere Unternehmen von MANATNET lernen – wie ich von anderen Unternehmen gelernt habe, ganz besonders von Chase Manhattan und debis Systemhaus.

 

Hier die Dinge, die ein Unternehmen von MANATNET lernen könnte:

 

Prioritäten: Das wichtigste, das Du hast, sind Deine Geschäftspartner und unmittelbar danach Deine Prospects (also die Menschen und Unternehmen, mit denen Du gern zusammenarbeiten möchtest): Es gibt nichts Wichtigeres. Schon gar nicht irgendein interner Kram – auch nicht Dein Chef.

 

Schnelligkeit: Wer immer Dich kontaktiert, möchte etwas von Dir – und zwar schnell, auch wenn er das nicht explizit sagt. Also lass ihn nicht warten! Er könnte jemand anderen fragen, der schneller ist als Du.

 

Offenheit: Niemand wird Dich schlagen für ein „Tut mir leid, das kann ich nicht!“. So gut wie jeder wird Dich schlagen, wenn er das selbst und dafür später herausfinden muss.

 

Zuverlässigkeit: „Deadlines“ sind zum Einhalten, deshalb heißen die so. Niemand wird Dich würgen, wenn Du rechtzeitig sagst: Ich schaffe das nicht!“ Jeder wird Dich würgen, wenn Du schweigend sie verstreichen lässt.

 

„Nice-to-haves“: Frage Dich, was für Dein Geschäft wirklich wichtig ist, nicht für Dein eigenes, persönliches Wohlbefinden. Ein toller Dienstwagen oder die Präsentation nun doch noch schnell in einem neuen Layout haben noch nie zu mehr Geschäft geführt.

 

„Meeting-Mania“: Jeder weiß, dass die meisten Meetings nichts bringen. Also lass es. Wenn Du denn unbedingt ein Meeting abhalten musst, dann niemals ohne Agenda – und eine Uhrzeit für den Beginn und das Ende. Und genau dann fang an, nicht wenn der letzte Teilnehmer eingetrudelt ist. Und genau dann hör auf. Auch wenn Du nicht durch bist: Steh´ auf und gehe!

 

Nebenschauplätze: Du wirst viele Menschen treffen, die Dir Zeit rauben wollen zum eigenen Vorteil. Das ist deren gutes Recht, jedoch: Auch wenn die Verpackung noch so hübsch sein sollte. Du musst nicht jede Verpackung öffnen.

 

Liebe: Mache gern, was Du tust. Wenn Du es nicht gern tust, dann mache etwas anderes.

 

Und nicht zuletzt:

 

Weitsichtigkeit: Wenn Du ein Unternehmen führst, dann musst Du im Kopf allen anderen gegenüber mindestens drei Monate voraus sein. Anderenfalls wirst Du nicht führen, sondern getrieben.

 

Hört sich krass an, vielleicht, aber einen Test ist es allemal wert! Ich verspreche:

 

Auf einmal kannst Du über die Schreibtischkante sehen!

WAS, ZUM TEUFEL, GEHT DENN HIER AB?

Was für eine Woche! Erstmals macht der Kunde die Tür zu, weil ein Interim Manager – wieder einmal – angegeben hatte, er sei verfügbar: Aber er war es nicht!

 

Damit musste ich – noch immer nehmen wir das den Interim Managern ab – beim Kunden die Prügel abholen: Während der Interim Manager frohgemut seinem Projekt nachgehen kann, versuche ich, zu retten, was zu retten ist.

 

Neu ist, dass der Kunde auf meine vorsichtige Frage, ob wir einen anderen Kandidaten empfehlen dürften, mit einem klaren „Nein“ geantwortet hat: Nichts mehr zu retten. Tilt – Game over!

 

Halten wir fest: Dieser Interim Manager hat uns nicht nur der Möglichkeit beraubt, mit ihm gemeinsam ein Geschäft abzuschließen. Er hat uns zusätzlich der Möglichkeit beraubt, mit einem anderen Kandidaten dieses Geschäft zu machen. Selbst auf der Basis der im Vergleich geringen Margen für MANATNET: Hier sind uns mindestens 30.000 Euro durch die Lappen gegangen!

 

Oft schon habe ich an dieser Stelle geklagt: „So geht es nicht!“ Jetzt sage ich: „Das Maß ist voll!“

 

Das reicht an Bemerkenswertem für diese Woche? Weit gefehlt!

 

Alles begann mit einem Anruf Anfang März. Ein Kunde sucht einen Interim Manager als IT-Projektmanager.

 

„Haben Sie solche Leute?“

 

„Klar! Etwa fünfzig!“

 

„Dann ist ja gut. Wir gehen die ersten Schritte und wir kennen uns auch noch nicht so richtig aus mit dem Interim Management!

 

„Das ist nicht so ungewöhnlich, wie Sie vielleicht denken, wenn Sie sich noch nicht gut auskennen mit dem Interim Management. Aber dafür sind wir da. Wir helfen Ihnen gern! Gibt es weitere Anforderungen, die Sie an den Interim Manager haben?“

 

„Nein.“

 

„Andere Kunden geben in vergleichbaren Situationen zum Beispiel vor, dass der Interim Manager Prince2, ITIL, CMMI, Scrum oder etwas Vergleichbares kennen muss – oder darin sogar zertifiziert ist. In diese Richtung denken Sie nicht?“

 

„Nein.“

 

„Haben Sie Vorgaben, was Ihr Budget betrifft? Im Kern also: Haben Sie Vorgaben für den Tagessatz?“

 

„Nein.“

 

„Ah, verstehe. Sie sind wirklich noch ganz am Anfang. Vermute ich recht: Es gibt noch kein detailliertes Anforderungsprofil an den Interim Manager?“

 

„Richtig!“

 

„Verstehe. Macht nichts. Ich sende Ihnen jetzt eine ausführliche E-Mail. Dann haben Sie zunächst einmal alle Kontaktdaten. Dann werde ich Ihnen beispielhaft die Links auf ein paar fachliche Profile von Interim Managern senden, die auf das IT-Projektmanagement spezialisiert sind: Dadurch bekommen Sie ein recht gutes Gefühl für das, was möglich ist – auch mit Blick auf Ihre Überlegungen zum Budget.

 

Darüber hinaus werde ich Ihnen skizzieren, wie die nächsten Schritte aussehen könnten. Und abschließend werde ich Ihnen ein Gespräch zwischen Ihrem Geschäftsführer und mir empfehlen, weil ich tief verstehen möchte, was Sie vorhaben. Nur dann kann ich Ihnen sinnvoll einen Interim Manager empfehlen.

 

„Das ist prima. Vielen Dank!“

 

Am gleichen Tag – natürlich – sende ich die angekündigte Mail. Ich arbeite vier Links auf die fachlichen Profile von vier verfügbaren Interim Managern ein: Den teuersten IT-Projektmanager, den günstigsten IT-Projektmanager – und zwei andere irgendwo zwischen diesen beiden Extremen – willkürlich aus allen IT-Projektmanagern bei MANATNET ausgewählt.

 

Anruf nach einer Woche:

 

„Unser Geschäftsführer hat die Unterlagen. Er wird in der kommenden Woche unterwegs sein und die Sachen durchgehen. Danach melden wir uns.“

 

Donnerwetter! Ich danke ehrlich, denn ein solches Zwischen-Feedback ist schon lang nicht mehr Usus.

 

Niemand meldet sich.

 

Ich fasse per Mail nach: Keine Antwort.

 

Dann ein Anruf der Sekretärin des Geschäftsführers. Das Unternehmen möchte den teuersten Interim Manager gern am 2. April treffen.

 

Ups.

 

Sprachlos, aber doch freudig, rufe ich den Interim Manager an, denn ich muss einiges erläutern: Er ist nicht verfügbar: „Leider habe ich vergessen, mein Verfügbarkeitsdatum zu aktualisieren.“

 

Im Rahmen meines Gangs nach Canossa frage ich (als ergrauter Vertriebs-Mann tapfer einen Ansatz für einen Neustart suchend) die Sekretärin, ob wir einen anderen Kandidaten empfehlen dürften.

 

„Nein. Wir haben über andere Provider Kandidaten erhalten, die wir uns dann erst einmal anschauen werden.“

 

Mein gequältes Hirn stellt ein paar Verbindungen her, erkennt die Chance (Ungleichbehandlung gleich Ungerechtigkeit gleich Schuldgefühl) und lässt mich eine Frage formulieren:

 

„Haben denn die anderen Provider – anders als MANATNET – ein Anforderungsprofil erhalten?“

 

„Nein. Das haben die auch nicht, denn so etwas haben wir gar nicht. Die haben uns die Kandidaten vorgestellt. Die mussten auch nicht mehr groß nachfragen.“

 

Nächstes Jahr werde ich zehn Jahre im Interim Management tätig sein. Aber noch immer bin ich in solchen Situationen fassungslos – und frage mich:

 

Was, zum Teufel, geht denn hier ab?