Selbstverständlich wurde ich am vergangenen Freitag und Samstag angesprochen: „Kein Blog, Herr Becker…?“
Nein, kein Blog. Ich habe für mich entschieden: Ich schreib‘ keinen Blog mehr, wenn ich im „Urlaub“ bin.
Ja ich weiß, meine Frau liest meine Blogbeiträge – und wird beim Begriff „Urlaub“ in schallendes Gelächter ausbrechen! Denn das Mail-Stakkato klatschte mit unveränderter Frequenz in meiner Inbox auf! Der Ausschaltknopf am Smartphone fungierte als Schleuse nur stundeweise – allein, um sich danach brachialen Flutwellen zu öffnen…
Nun, wie auch immer: Ich war in Florenz!
Als wohl größter Michelangelo-Fan in der Ortenau war diese Reise ein Pflichttermin – nachdem der letzte Besuch rund dreißig Jahre zurückliegt. Und ich seinerzeit Michelangelos David nicht sehen konnte.
Dies galt es unbedingt nachzuholen!
Nun, er hat sich offensichtlich kein bisschen verändert – der David!
Erschaffen zwischen 1501 und 1504. Steht er da, geschaffen von einem einzigen, besessenen Menschen – dem man heutzutage sicher den Begriff „Workaholic“ spendieren würde.
Geschaffen aus einem über fünf Meter langen und 12 Tonnen schweren Marmorblock aus Carrara!
Das war schon ein nickeliger Auftrag für eine monumentale Davidstatue, den 1501 die einflussreiche Arte Della Lana, die Wollweberzunft, in Florenz an Michelangelo vergab!
Vor meinem geistigen Auge erlebe ich diesen Dialog:
„Einzige Bedingung, Michelangelo: Du musst den Marmorblock verwenden, der seit Jahrzehnten nutzlos neben dem Duomo verrottet!“
„Aber, Signori! Jeder weiß, dass dieser Block fehlerhaft ist – und damit für eine monumentale Skulptur völlig ungeeignet. Er wird zerspringen!“
„That´s the deal, Michelangelo!”
“Buono. Dann sei´s so!“
Wikipedia schreibt:
„Sie wurde aus einem riesigen Marmorblock gehauen, den ein anderer Bildhauer, Agostino di Duccio, 40 Jahre zuvor erfolglos zu bearbeiten begonnen hatte und der seitdem nutzlos herumlag. Es gelang Michelangelo, ohne Rücksichtnahme auf die traditionelle Behandlung des Themas oder den historischen Charakter seines Helden, einen jugendlichen, düsteren Koloss herauszumeißeln, wachsam gespannt und ausgeglichen vor seiner großen Tat.“
Vor meinem geistigen Auge erscheinen sie alle – die Mahner damals, die Warner und Reichsbedenkenträger:
„Hey, Michelangelo, Du bist ja nicht ganz gescheit!“
„Jeder weiß, dass das nicht funktionieren kann!“
„Lass es! Das kann nichts werden! Du wirst zum Gespött der Leute.“
„Das gefährdet Deinen Deal mit Kardinal Francesco Piccolomini in Siena: Das wird Dich ruinieren!“
Welch eine intellektuelle Leistung!
Nun steht er da! Seit Jahrhunderten. Geschaffen von einem Mann, der es dennoch wagte!
Der vor allem neu dachte – thematisch (Nicht der Sieg des David wurde dargestellt, wie bisher üblich, sondern die Spannung vor dem Kampf) und formal (Nur der angewinkelte Arm ließ wohl die Fehler im Stein wirkungslos).
Das Ergebnis ist heute die bekannteste Skulptur der Kunstgeschichte.
Und das spürst Du, wenn Du vor dieser Monumental-Statue stehst – und auch nur ein Minimum an Bildung mitbringst. Ich gehe so weit zu behaupten: Wenn Du nicht aufpasst, fühlst Du Dich wie ein Wurm angesichts dieses Werks!
Der David hat sich in satten fünfhundert Jahren nicht verändert. Die Welt um ihn jedoch sehr wohl.
Und so fällt Dir bereits am Anfang des Saals die „Selfie-Mania“ auf. Gut, schon immer war es Usus, diese überragenden Motive zu fotografieren, mit heimzunehmen und die Erinnerung auf diese Weise länger frisch zu halten.
Man fotografierte den David.
Heute ist das anders! Heute fotografiert man sich selbst – gemeinsam mit dem David!
Ein unumstößlicher Beweis für jedermann: Ich war da! Fürs Posten bei Facebook, Instagram & Co.! Stets (gezwungenermaßen) aus Untersicht und mit ungezählten anderen Selfie-Fans an den Bildrändern. Macht nix. Weißabgleich? Macht mein Smartphone automatisch…
Ein Festival der Belanglosigkeit!
Okay, Becker: Wieder mal überragend – aber was hat das mit dem Interim-Business zu tun?
Auf den ersten Blick vielleicht nichts.
Auf den zweiten dann durchaus!
Um wirklich Neues, vielleicht Großes zu schaffen, musst Du völlig neu denken und musst neue, andere Wege beschreiten – jenseits des Vertrauten. Du wirst auf diesem Weg viele Menschen treffen, die Dich vor diesem Weg warnen, mitunter davon sogar abbringen wollen. Die Dich verlachen, kritisieren – und einige werden Dich sogar beschimpfen! Mit einem Wort:
Dieser Weg wird kein leichter sein!
PS: Für meine Leser mit Facebook-Account: My tribute to Michelangelo’s David