„Ich kann mir lebhaft vorstellen, dass das Produkt Interim Management so wie bisher keine Chance mehr haben wird. „Interim“ wird es nicht mehr wirklich geben – und diese Projekte werden dann sehr wenige sein.“
So las ich in den ersten Tagen des neuen Jahres.
Ich hoffe, Sie haben nicht darüber hinweggelesen: Ich habe das gelesen – nicht geschrieben …!
Und bemerkenswerter Weise schrieb das ein Interim Manager aus der ersten Liga: Wie erfrischend – zumindest aus meiner Sicht!
„Interim Manager werden immer gebraucht!“ würde die reflexartige Antwort der Lemminge lauten, wenn ich denn diese Aussage z. B. bei LinkedIn zur Diskussion stellte.
Von Interim Managern, Interim Managerinnen und auch von diversen Interimern.
Denn, soweit ich das beurteilen kann, sind Interim Manager in der Breite mit vielen Eigenschaften gesegnet, nicht jedoch mit ausgeprägter Selbst-Reflexion oder gar Selbstkritik. Aber, ich mag mich täuschen…
Der Charme eklatanter Fehleinschätzungen
Es ist müßig, darüber zu streiten, ob diese Aussage des Interim Managers richtig oder falsch ist. Wissen werden wir´s ohnehin erst in einigen Jahren.
Mich beschäftigt jedoch viel mehr die Frage: „Was, wenn denn das richtig sein sollte?!“ – eine Frage, mit der sich der Mensch an sich traditionell schwertut.
Erstes Beispiel: „Die weltweite Nachfrage nach Kraftfahrzeugen wird eine Million nicht überschreiten – allein schon aus Mangel an verfügbaren Chauffeuren!“ (zugeschrieben Gottlieb Wilhelm Daimler)
Beispiel 2: „Dieses Telefon hat zu viele Schwächen, als dass man es ernsthaft für die Kommunikation in Erwägung ziehen kann.“ (Internes Memo von Western Union, 1876).
Und das letzte Beispiel: „Es gibt keinen Grund, warum jeder einen Computer zu Hause haben sollte.“ (Ken Olsen, Gründer der Digital Equipment Corporation (DEC), 1977).
Sicher gibt es noch mehr solcher Beispiele eklatanter Fehleinschätzung. Es steht mir nicht zu, das ex post zu belächeln oder sonst in irgendeiner Weise abschätzig auf diese Menschen herabzublicken.
Es ist halt ausgesprochen schwer, das Potential einer Entwicklung richtig einzuschätzen: Ganz besonders dann, wenn das Umfeld spürbar kritisch geprägt ist.
Und das ist in Deutschland in der Breite und typischerweise der Fall. Natürlich gibt es Ausnahmen! Aber eben nicht in der Breite – und Ausnahmen definieren halt kein „typischerweise“. In Deutschland. Wo mich seit dem Platzen der Dotcom-Blase ein „Das brauche mer net!“ sehr viel enger begleitet als das davor übliche „Das probieren wir jetzt mal. Und wenn´s nix is, dann lasse mer´s halt! Und probieren etwas anderes…“
Ich glaube, dass diese drastisch andere Einstellung in Deutschland zu einem großen Teil dafür verantwortlich ist, dass das gesamte Land ins Mittelmaß abgerutscht ist. Die politischen Verfehlungen haben das dann gutgelaunt verstärkt.
Wat is en Interim Manager?
Diese eher nach hinten – in die Vergangenheit – gerichtete Denkwelt ist nach wie vor ein mächtiges Hindernis für den wirklichen Durchbruch im Interim Business. Nur so kann ich es erklären, dass Urgesteine im Interim Business wie AC Alphamanagement bemerkenswerte Jubiläen feiern, der Markt jedoch noch immer meint, die Basics des Interim-Business erklären zu müssen.
Frei nach Heinrich Spoerl´s „Feuerzangenbowle“: „Wat is en Interim Manager. Da stelle mehr uns janz dumm. Und da sage mer so: En Interim Manager, dat is ene [Platzhalter] …“
Und nun füllen Sie den Platzhalter nach Belieben!
Das ist in meiner Denkwelt ein absolutes Unding – und legt gleichzeitig die Schwächen dieses Marktes offen. Probe: Wann hat Ihnen zum letzten Mal die Anbieterseite die Vorteile des Leasings oder von Mietwagen erklärt? Sehen Sie…!
Aus meiner Sicht steht Deutschland vor einer Zeitenwende, die in alle Bereiche ausstrahlen wird.
Hier möchte ich mich auf die Demografie beschränken. Wir wissen, dass in Deutschland bis 2050 die Anzahl der Senioren (über 67-Jährige) um etwa 5 Millionen steigen wird. Die Zahl der Menschen im Erwerbsalter von 20 bis 66 Jahren soll demgegenüber um 7 Millionen sinken.
Rentner zurück aus der Rente!
Das wird deutliche Auswirkungen auf das Rentensystem haben – aber auch, und darum geht es mir: Das wird deutliche Auswirkungen auf den Arbeitsmarkt haben. Und ich kann mir sehr gut vorstellen, dass eine Regierung – welcher Prägung auch immer – nicht umhinkommen wird, Rentner aus der Rente zurückzuholen. Ganz besonders früh verrentete Menschen …
Dieses Zurückholen wird nicht über Zwang erfolgen können, sondern über Anreize, die Menschen, die sich selbst nicht „zum alten Eisen“ zählen, dann auch gern wahrnehmen werden.
Solche Anreize werden auf neuen Programmen basieren: finanziell attraktiv und unbürokratisch. Sind sie es nicht, dann bleibt die Zielgruppe dann doch zuhause.
Die neuen Programme werden zunächst die Angebotsseite im Interim Management spürbar reduzieren: Alle, die sich nach dem Ausscheiden aus ihrem Unternehmen bislang dem Interim Management zuwenden, brauchen diese Option dann nicht mehr, die zudem typischerweise (also: nicht immer) als ausgesprochen sperrig empfunden wird: Verlangt sie doch tatsächlich Vertrieb in eigener Sache! Geht´s noch …?!
Und alle Insider wissen, dass dies ein gehöriger, wenn nicht der größte Teil des „Interim-Nachwuchses“ ist – während die Generation, die gemeinsam mit mir ins Interim Business eingestiegen ist, sich nun langsam aber deutlich sichtbar aus dem Markt verabschiedet. Deutlich oberhalb der 70 wird´s dann doch schwierig, Fans für die eigene Leistung zu finden – es sei denn, Sie heißen Mick Jagger, David Gilmour oder Ritchie Blackmore!
Ein kleiner, noch immer überraschend unbekannter, vielleicht auch ungeliebter Markt, wird so unter erheblichen Druck geraten.
Wohl eine Fehleinschätzung: „Mehr Selbständigkeit!“
Auch das, was wir vor noch kaum 10 Jahren gehört haben, „Die Entwicklung geht hinzu mehr Selbständigkeit – und weg von der Festanstellung“ könnte nicht länger valide sein: Zumindest in Deutschland nicht, wo Festanstellungen sowohl im Genom der Unternehmen als auch der Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen fest verankert sind.
Merke: Wenn wenig junge Menschen auf den Arbeits-Markt kommen und auf eine gleich hohe, wenn nicht höhere Nachfrage der Unternehmen treffen – dann können sie nach klassischer Lehre von steigenden Preisen i.e. Gehältern profitieren.
Was die Selbstständigkeit – im Volksmund gern als „Du arbeitest selbst – und das ständig“ beschrieben – einiges vom Rest ihrer verbliebenen, kümmerlichen Attraktivität nehmen könnte. Und somit auch Interim Manager und Managerinnen dazu verführen könnte, zurück in die vermeintlich kuschelige Wärme der Festanstellung zu flüchten.
Wunderbarer Nebeneffekt: Viele Unternehmen haben panische Angst davor, dass ihnen die Verträge mit Interim Managern auf die Füße fallen! Weil die klammen Sozialversicherungsträger aufgrund von erklärter, nicht tatsächlicher „Scheinselbständigkeit“ Sozialabgaben einfordern sowie – natürlich – Strafen verlangen könnten.
Zudem hilft ein Blick über den Atlantik: Dort stehen ganz offensichtlich radikale Änderungen an, die – ich schließe das nicht aus – den Druck auf Europa und damit Deutschland in einem solchen Ausmaß erhöhen könnten, dass auch hier schonungslos alles in Frage gestellt werden muss.
Hier könnten dann die Totenglocken fürs Interim Business läuten – wie wir‘s heute kennen. Könnten – müssen aber nicht.
Dennoch sollten wir uns mal mit der Frage beschäftigen: „Was wäre, wenn…?“
Schaden kann´s sicher nicht…
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