Ganz sicher gehöre ich nicht zu den Ja-Sagern. Nirgends. Auch nicht im Interim-Business.
Hierbei achte ich sehr genau darauf, dass ich nicht als übertrieben kritisch gelte!
Es ist halt so, dass jeder Mensch seine individuelle Prägung erhält: Durch das Elternhaus, die Schule, die Ausbildung, den Berufsweg, den Freundeskreis und was weiß ich noch was.
Meine Prägung ist deshalb wie sie ist: Sie hat ihre Vorzüge und – wie stets – auch ihre Schattenseiten. Ich muss damit leben. Die Welt um mich herum auch.
Sehr dankbar bin ich jedoch für eine ganz ausgeprägte Facette meiner Prägung: „Nimm niemals etwas als gegeben – und hinterfrage stets!“
Ich gebe gern zu: Das ist durchaus nicht immer einfach!
Völlig egal für welche Meinung (welchen Vorschlag, welche Idee, welche Position) heutzutage jemand eintreten mag: Unmittelbar darauf vertritt ein anderer die völlig andere Meinung.
Schwarz oder aber Weiß – sonst nichts
Und ich meine „völlig“! Schwarz und weiß. Die einen behaupten „richtig“ – und die anderen sind sich sicher: „falsch“. Bei der exakt gleichen Sache, wohlgemerkt.
Ein Hinterfragen im Sinne von „ich möchte Dich zunächst einmal verstehen“ findet so gut wie nie statt. Stattdessen werden Positionen ausgetauscht. Wobei die eigene stets die richtige ist.
Denken wir an die Feinstaub-Diesel-Geschichte:
Die einen sehen uns kurz vor dem Erstickungstod. Die anderen bestreiten das vehement. Für die einen stehen die Messgeräte falsch für die anderen werden die falschen Schlüsse aus den Daten eben dieser Messgeräte gezogen. Garniert wird das dann mit einem Rechenfehler. Und der beliebte Hinweis auf Hamburg: „Ich darf 500 Meter nicht mit meinem Diesel fahren – aber da vorn am Hafen raucht ein Kreuzfahrer, dass es nur so kracht!“
Und wenn alle Stricke reißen muss eine Verschwörung herhalten: Die Deutsche Umwelthilfe, finanziell massiv finanziert durch ausländische Autobauer, die in der Dieseltechnik vom deutschen Auto-Siegfried uneinholbar abgehängt wurden – und nun eben diesen deutschen grau-staubigen Technologieführer hinterrücks verschlagen durch den wuchtigen Stoß mit der grün schimmernden Lanze des Umweltschutzes meucheln möchten.
Was machst Du dann?
Zunächst müssen wir festhalten: Jeder – auch ich – ist durch seine eine individuelle Interessenlage, seine ureigenen Motive gesteuert.
Das war schon immer so, das ist jetzt so – und das wird aller Wahrscheinlichkeit auch in Zukunft so sein.
Macht, Geld und Sex
Auch, wenn der eine oder andere das als zu vereinfachend ansehen wird: Ich habe für mich drei Motive identifiziert, die die Menschen treiben: Macht, Geld und Sex.
Selbstverständlich sind diese Motive nicht offensichtlich!
Man stelle sich vor: „Nehmen wir mal an, wir würden keine Diesel mehr verkaufen können: Wir verlören Milliarden! Das geht ja mal gar nicht. Und deshalb müssen wir dagegen sein: Das verstehen Sie sicher!“
Oder die Gegenposition: „Wir haben enorme Summen in „E-Mobilität“ investiert. Aber wir kommen einfach nicht weiter! Auch nicht mit Prämien! Weil die Menschen weiterhin mit diesem blöden Diesen zufrieden sind. Also müssen wir über Bande spielen – und den Diesel dann eben diskreditieren! Wenn ich nicht besser werden kann, dann muss ich halt den anderen schlechter machen. Das kennen Sie doch sicher auch aus Ihrem privaten Umfeld. Dort heißt es Neid!“
Warum schreibe ich darüber?
Ich bin immer wieder beeindruckt, mit welcher Vehemenz diese diametral auseinanderliegenden Positionen verfochten werden! Und dabei sind die „Kontrahenten“ durchaus nicht immer zimperlich…
Wo doch jeder halbwegs ausgebildete Mensch weiß: Bei zwei derart auseinanderliegenden Positionen kann in aller Regel nur eine richtig sein: Wenn überhaupt! Aus diesem „wenn überhaupt“ hat der Volksmund seine eigene Weisheit abgeleitet: „Die Wahrheit liegt wohl irgendwo in der Mitte…!“
Ich vermisse daher den offenen und ehrlichen Diskurs. Auf der Basis eines gegenseitigen Respektes, der durchaus mal ein „Oh, das habe ich nie so gesehen!“ vertragen kann, ohne dass damit ein wenn auch nur impliziter Gesichtsverlust einhergeht. Förster & Kreutz sind erst in dieser Woche darauf eingegangen: DIE KUNST DES EFFEKTIVEN STREITENS
Zu wenig Streitkultur auch im Interim-Business
Das gilt selbstverständlich auch fürs Interim-Business.
Hier laufen – wen kann es wundern – die gleichen Mechanismen ab:
Aktuell fallen z. B. aktuell wieder Pressemitteilungen auf, deren Schalmaienklänge („Alles Super-dooper!“) nicht mit dem harmonieren, was ich aus der (Automotive-) Industrie höre:
„Wir steuern gegen, indem wir Mitarbeiter, die kündigen, nicht ersetzen. Auf alle Fälle setzen wir keine Freelancer ein!“
Schwarz – Weiss!
Oder:
„Vielen Dank für die Info. Ich habe mir das Modell von UNITEDINTERIM angeschaut, dieses kommt allerdings für mich nicht infrage, da ich nicht die Katze im Sack kaufen will.
Ganz offensichtlich nicht vollständig informiert – den Dialog nicht gesucht – nicht gefragt – nicht diskutiert – nicht gestritten!
Folglich muss sich jeder, der in diesem Geschäft tätig ist, seinen eigenen Reim draus machen.
Und mit solchen Positionen auch:
„Die Welt ändert sich, klar! Ich will aber nix verändern. Feddich…“
Meine Güte:
Ich habe vor genau einem Jahr geschrieben „INTERIM MANAGER, BLEIBT NEUGIERIG“ – und mich gerade mal sechs Wochen später korrigieren zu müssen: „INTERIM MANAGER, WERDET ENDLICH NEUGIERIG!“
Ich sehne mich sehr nach dieser diskursiven Streitkultur auf der Grundlage gegenseitigen Respekts, aber ich habe den Eindruck als entfernte ich mich davon jeden Tag ein wenig mehr…
Und mir fällt der Satz von Walter Lippmann* ein:
„Wo alle gleich denken, denkt keiner sehr viel.“
*amerikanischer Journalist und Publizist
1889 – 1974